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Sodexo-Skandal: Trennung und Gespräche
Nach der heftigen Erkrankungswelle im September ist das Vertrauen vieler Eltern nicht zurückgekehrt. Beim französischen Caterer ist man gespannt, wie ehrlich es die Kommunen mit der Qualität des Schulessens wirklich meinen.
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Potsdam-Mittelmark - Die einen wollen sich trennen, die anderen verhandeln. Nach der Brechdurchfallwelle im September gehen Gemeinden im Landkreis unterschiedlich mit Sodexo um. Kleinmachnow will sich endgültig von dem französischen Caterer verabschieden. Es werde daran gearbeitet, den Vertrag fristgerecht zum Jahresende zu kündigen und neu auszuschreiben, sagte Bürgermeister Michael Grubert (SPD) am Dienstag im Sozialausschuss.
Auf der Sitzung war dieser Weg einstimmig empfohlen worden. Kitas und Schulen der Gemeinde werden seit über zehn Jahren von Bärenmenü und dessen Rechtsnachfolger Sodexo beliefert. Jetzt soll anhand von Kriterien, die Schulen und Horte gemeinsam entwickeln, ein neuer Anbieter gesucht werden. Die letzte Entscheidung über den CDU-Antrag treffen die Gemeindevertreter.
Auch ein Umsteuern auf eine kommunale Essensversorgung will Sozialausschusschef Wolfgang Nieter (CDU) „seriös geprüft“ sehen. Bis zum 31. März, so der Antrag, soll der Bürgermeister dazu einen Vorschlag unterbreiten. Wie Nieter betonte, seien die Erdbeeren nur der „Tropfen auf den heißen Stein“ für den Wunsch nach einer Neuausschreibung gewesen. Wegen mit Noroviren verseuchten Tiefkühlerdbeeren aus China, die von Sodexo verarbeitet wurden, waren vor den Herbstferien über 11 000 Kinder in Ostdeutschland erkrankt, über 1000 davon in Potsdam-Mittelmark.
In Stahnsdorf, das bis Mitte 2016 an Sodexo gebunden ist und nur mit einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund aus dem Vertrag aussteigen könnte, befindet man sich mit dem Essensanbieter in Verhandlungen über eine Vertragsauflösung. Dem Vernehmen nach hat es einen Einbruch bei den Essensbestellungen gebeten. In Stahnsdorfer Schulen war es zu besonders vielen Vergiftungen gekommen, eine Schule musste kurzzeitig geschlossen werden. Zuletzt hatte die CDU gefordert, die Verträge zu lösen und neu auszuschreiben.
Werder will die Zusammenarbeit mit Sodexo derweil fortsetzen – und setzt auf Nachverhandlungen. „Wir beabsichtigen nicht, uns von Sodexo zu trennen, zumal sich eine Sodexo-Großküche in Werder befindet und die Transportwege kurz sind“, sagt die 1. Beigeordnete Manuela Saß. In den vergangenen Wochen wurde mit Sodexo über eine modernere Form der Zubereitung, das cook & chill-Verfahren (kochen und kühlen), nachgedacht. Statt fertige Speisen warmzuhalten und zu transportieren, würde der abschließende Garprozess in den Einrichtungen in Heißluftöfen erfolgen. Keimfördernde Temperaturen zwischen 10 und 40 Grad werden damit besser vermieden.
Stand der Gespräche: Cook & chill wäre für alle Schulen und Kitas in Werder umsetzbar, würde allerdings zu Mehrkosten für die Eltern führen. „Das wird jetzt in den Einrichtungen kommuniziert“, so Saß. „Wenn die Mehrheit der Eltern bereit ist, etwas draufzulegen, dann werden wir die Essenszubereitung entsprechend umstellen.“ Derzeit kostet das Essen in Werder für die Eltern im Schnitt keine zwei Euro.
Nach Sodexo-Angaben sind Kündigungen wegen der Brechdurchfallwelle nur vereinzelt vorgekommen. „Für außerordentliche Kündigungen müsste ein Fehlverhalten vorliegen“, so Sodexo-Sprecher Stephan Dürholt. „Ein solches hat ja nicht zuletzt die Staatsanwaltschaft Darmstadt öffentlich verneint.“ Dass Kommunen dem Essensanbieter vor Ausschreibungen fürs neue Schuljahr kündigen, sei derweil normal. „Wichtig wird sein, wie die dann folgenden Ausschreibungen gestaltet sind“, so Dürholt. Vor allem werde interessant, ob sich die Ankündigungen zu mehr Transparenz, Kontrollierbarkeit, Regionalität und Saisonalität und flexiblerer Preisgestaltung in den Ausschreibungen wiederfinden. Denn dafür habe man bei Sodexo überzeugende Konzepte. Auch der Landkreis rät den Kommunen, ihre Ausschreibungspraxis zu überdenken: „Besonders hinsichtlich der Gesundheit der Kinder sollten die Kommunen darauf achten, dass ein gesundes und ausgewogenes Essen entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung angeboten wird“, so Friederike Kuhnt vom Gesundheitsamt. In den DGE-Empfehlungen sind Rohkost-, Gemüse- und Fleischanteile genau definiert, sogar die Garmethoden. Die Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften hat im Auftrag des Berliner Senats errechnet, dass ein Essen, das diesen Maßgaben folgt, wenigstens 3,17 Euro kosten müsste.
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