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Potsdam-Mittelmark: Trost für Trauernde

Im Werderaner Treffpunkt können sich Hinterbliebene über ihre Erfahrungen austauschen

Von Enrico Bellin

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Werder (Havel) - Ein idyllisches Plätzchen für den Lebensabend: Neben jungen Familien ziehen vermehrt Rentner in das Havelstädtchen Werder. Doch wenn der Partner stirbt, bedeutet das für viele Menschen Einsamkeit, da Kinder und Freunde oft weit weg wohnen.

Es gibt einen Platz, an dem Verwitwete über ihren Schmerz reden können. Im Treffpunkt am Plantagenplatz findet seit Februar diesen Jahres monatlich ein Trauercafé statt. „Wir verstehen uns als Begegnungsstätte, da gehören Trauernde selbstverständlich mit ins Haus“, sagt Sigrid Hilburg, pädagogische Mitarbeiterin des Treffpunktes, der vom Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikum getragen wird. Gemeinsam mit der Glindower Pfarrerin Andrea Paetel-Nocke und drei Ehrenamtlichen betreut sie die Runde, zu der bis zu acht Trauernde kommen.

Bei jedem Treffen gibt es eine kleine Einführungsrunde, aus der sich dann Gespräche entwickeln. „Die Menschen können bei uns in geschütztem Kreis über ihre Gefühle reden, was ihnen sehr guttut“, so die Pfarrerin. Tröstlich sei es auch für die Zuhörer, zu merken, das andere in der gleichen Situation sind. Für die Pfarrerin ist es besonders wichtig, das Trauernde nach dem Gespräch zur Beerdigung des Partners weiterbetreut werden. „In den meisten Fällen haben die Menschen ja den Großteil ihrer Lebenszeit mit dem Partner geteilt, der immer zum Reden da war, da ist die Betreuung wichtig“, so Paetel-Nocke. Durch das Erzählen in der Runde würden die Bilder vom Verstorbenen im Kopf der Trauernden präsenter. Oft komme dann die Taschentuchbox zum Einsatz, die beim Trauercafé nicht fehlen darf. Zwar seien 80 Prozent der Gäste weiblich, doch würden auch die Männer ihren Gefühlen hier freien Lauf lassen.

Über einzelne Geschichten wollen die Damen keine Auskunft geben, schließlich sei es gerade der kleine, geschützte Kreis an Menschen, der das Trauercafé für sie ausmache. Wichtig an den Gesprächen sei die fachkundige Moderation. So lässt die Pfarrerin in stillen Momenten ein Gebet mit einfließen, und auch Sigrid Hilburg greift moderierend ein. Sie war bereits in der Paliativmedizin sowie im Hospiz in Kloster Lehnin tätig und ist daher mit dem Thema vertraut.

Im Treffpunkt muss sie sich stets auf neue Schicksale einlassen. Bei einigen Besuchern ist der Partner kürzlich verschieden, bei anderen ist das schon länger her. „Je frischer es ist, desto schwerer fällt es meist, über Geschichten des früheren Zusammenlebens zu erzählen“, so Hilburg. Daher hören Besucher beim ersten Mal oft nur zu.

Durch Gespräche hätten Trauernde nachträglich ihren Frieden beispielsweise mit Krankenhäusern gemacht, mit denen sie schlechte Erfahrungen hatten. „Wer dann hört, dass andere im gleichen Krankenhaus gut behandelt wurden, ist eher versöhnlich gestimmt“, so Andrea Paetel-Nocke. Überhaupt werde im Trauercafé oft über die letzte Lebensphase der Verstorbenen gesprochen. Damit würden sich die Hinterbliebenen bewusst machen, dass der geliebte Mensch auch wirklich weg ist. Wer dann den ersten Schmerz überwunden hat, kann im Treffpunkt auch gleich neue Kontakte knüpfen, da neben dem Trauercafé viele weitere Kurse angeboten werden.

Um die Gespräche zu verarbeiten, bleiben Hilburg, Paetel-Nocke und weitere Ehrenamtliche nach der Runde noch einige Minuten, um sich über ihre eigenen Gefühle und den Gesprächsverlauf auszutauschen. „Auf die Gespräche muss man sich bewusst einlassen, alles andere vergessen und auch das Handy komplett ausschalten“, so Sigrid Hilburg. Andrea Paetel-Nocke kennt die Situation aus der Seelsorgearbeit. „Ich weiß, was mir die Menschen erzählen, ist nicht meine eigene Geschichte.“ Daher belasten sie die Erzählungen der Todeserfahrung auch nicht. Enrico Bellin

Das Trauercafé im Treffpunkt Werder am Plantagenplatz 11 findet an jedem zweiten Donnerstag im Monat um 15 Uhr statt.

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