Potsdam-Mittelmark: Trügerische Glücksbotschaft
Immer häufiger wird versucht, gute Adressen für dubiose Verkaufsveranstaltungen zu missbrauchen
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Kleinmachnow - Über viele Gäste hat sich noch kein Wirt beklagt. Doch als am Mittwochnachmittag gut 60 Leute in der Bäkemühle stehen, ist Restaurantbetreiber Ronny Pietzner ratlos. So schnell kann selbst der Spitzenkoch den Tisch nicht decken, auch wenn den Gästen ein „leckeres warmes Mahl“ versprochen war – „auf Kosten des Hauses“. Zu dumm nur, dass Pietzner und seine Crew nichts davon wussten.
Immerhin sollten sich die Gäste gleich mit ihrem anderen Preis trösten können. Denn Gewinner sind sie alle, deshalb waren sie ja da. Am Montag nämlich flatterten in dutzende Briefkästen „Gewinnbenachrichtigungen“. Wahrscheinlich hat bei der „Jubiläumsauslosung“ der Firma „Josef Walden“ die Glücksfee ein Bad im Teltowkanal genommen, denn erstaunlicherweise ging fast 80 Mal der 3. Hauptpreis an verschiedene Adressen in Stahnsdorf, Kleinmachnow und Teltow. Demnach muss am Mittwoch eine ganze Fuhre „Komfort Staubsauger“ nach Kleinmachnow unterwegs gewesen sein. Angekommen ist die Ladung allerdings nicht. Vielleicht eine Autopanne? Leider konnte auch kein Vertreter der Firma „Josef Walden“ Auskunft geben. Es war keiner da.
Mitteilungen über vermeintliche Gewinne finden sich inzwischen in beinahe jedem Postkasten: Geld, Reisen, Fernseher, DVD-Player, Waschmaschinen. Wir Deutschen müssten ein glückliches Volk der Gratis-Urlauber und Geräte-Absahner sein. Doch meist ist das Geschäft mit dem Glücksgewinn nichts weiter als Lug und Betrug. Allein die Verbraucherzentrale Hamburg führt eine 56-seitige Liste mit unseriösen Firmen, die unter dem Vorwand von Gewinnmitteilungen zu Verkaufsshows locken, auf denen dem Publikum von der Armbanduhr bis zum Zigarettenetui alles Mögliche untergejubelt wird. Zu Horror-Preisen.
„Norddeutschland ist eine Hochburg dieser Lügen-Firmen“, beklagt Rechtsanwalt Wambach von der Bremer Verbraucherzentrale. Die Firma „Josef Walden“ hat als Adresse lediglich ein Postfach in Bremen angegeben – für Verbraucherschützer meist ein erstes Alarmzeichen.
Im Handelsregister am Bremer Amtsgericht ist das Unternehmen Josef Walden nicht eingetragen. Dass die Firma in der Bäkemühle mehr im Sinn hatte als eine Siegesfeier, lässt sich dem Kleingedruckten auf den Gewinnbenachrichtigungen leicht entnehmen. Denn das warme Mahl mit anschließender Preisverleihung bildet lediglich den „krönenden Abschluss“ – unschwer zu erahnen, was zuvor stattfinden sollte. Der „einmalige Unkostenbeitrag“ von zwei Euro fällt im Vergleich zu anderen Firmen zwar gering aus – macht die Einladung aber nicht weniger anrüchig.
Früher waren es Busreisen zu einsamen Gasthöfen, auf denen vor allem Rentnern Kaffeemaschinen, Rheumadecken und medizinische Wundermittel aufgedrängt wurden. „Da mach ich nicht mehr mit“, erklärt Karl-Heinz B. resolut. Inzwischen locken die Veranstalter mit angeblichen Gewinnen in Restaurants und Hotels mit guten Namen. Durchaus mit Erfolg. Karl-Heinz B. ist als Verkaufsshow-Tourist durch die Region getourt. Hier eine Produktshow in einem Kleinmachnower Hotel, dort eine Verkaufsmesse in Teltow. Zuletzt gab es in einer Stahnsdofer Gaststätte „jute Töpfe“.
Ronny Pietzner bekommt häufig Anfragen von Veranstaltern, die die „Bäkemühle“ als Verkaufs- und Werbebühne nutzen wollen. Wer den Ehrgeiz und Anspruch des renommierten Kochs kennt, weiß, dass dies nicht sein Stil ist und er den Namen des ehrwürdigen Hauses nicht missbrauchen lässt. Zu Recht: Gleich am Montag riefen vermeintliche Gewinner bei ihm an und empörten sich, wie er die „Bäkemühle“ so „verramschen“ könne. Andere kamen am Mittwoch persönlich vorbei, um ihren Unmut kund zu tun. Ein älterer Herr drohte gar schlagkräftig mit einem Hammer. Die Restaurant-Küche lud versöhnlich zum Kaffee ein.
Karl-Heinz B. findet, dass die Abzocker immer dreister werden, trotzdem ist er gekommen. „Wenn“s mir nicht gefällt, kann ich ja aufstehen und gehen“, sagt er. Der Briefumschlag mit der Gewinnbotschaft war ordentlich frankiert, die Gewinner wurden namentlich angesprochen, der Gewinn war exakt benannt – das wirke „professionell“, befindet Waltraud M. aus Kleinmachnow. Sie kenne da „viel dubiosere Sachen“. Nur dass niemand erschienen ist, mache dann doch irgendwie stutzig.
Für Sylvia Schönke von der Verbraucherzentrale Potsdam ist das nicht ungewöhnlich. Wenn Gewinner versuchen, sich bei den Firmen zu erkundigen, kritische Nachfragen stellen, ihren Rechtsanspruch auf den Gewinn deutlich machen, Verbraucherschützer alarmieren, wenn Gewerbeämter darauf hinweisen, dass die Veranstaltungen angemeldet werden müssen – „dann bekommen die Firmen kalte Füße und tauchen erst gar nicht auf“, so Schönke.
Pietzner schaltete sofort einen Anwalt ein. Der Chef der Polizeiwache Teltow wusste Bescheid. Auch das Betrugskomissariat der Kriminalpolizei ist informiert, so Polizeisprecherin Angelika Christen. Vielleicht haben diese Umstände Herrn Walden veranlasst, seine Reise nach Kleinmachnow zu stornieren.
Eigene Nachfragen bei der Firma in Bremen unter der Nummer der angegeben Sonder-Hotline gestalten sich schwierig. Zu hören ist lediglich das Bedauern, dass alle Leitungen belegt seien. Gut möglich – vielleicht erkundigen sich ja gerade 80 Stahnsdorfer und Kleinmachnower nach ihrem neuen Staubsauger.
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