Potsdam-Mittelmark: Über die Geschichte stolpern
Die jüdische Vergangenheit in Teltow ist geprägt durch den Namen Sabersky – aber es gab viel mehr
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Teltow - Fragt man alteingesessene Teltower nach der jüdischen Geschichte ihrer Stadt, lautet die Antwort meist: „Teltow hatte nur zwei jüdische Familien". Der Name Sabersky fällt den meisten dazu ein, weil es in Seehof eine Max-Sabersky-Allee gibt. Benannt nach dem Gründer der Villenkolonie, dem Berliner Kaufmann Max Sabersky, der mit seinem Bruder Albert in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts 84 Hektar Land erwarb.
Doch die Spurensuche für die Aktion „Stolpersteine“, die nun auch in Teltow beginnt, wird zeigen, dass die Teltower mehr jüdische Mitbürger hatten als vielen bekannt ist. Doch nicht alle überlebten den Holocaust. Ihre Namen und Schicksale sollten aber im Gedächtnis der Stadt bleiben, ebenso die der anderen Opfer des NS-Regimes, wünscht sich der Vorsitzende der Teltower Stadtverordneten, Rolf-Dieter Bornschein. Er schlägt daher vor, dass die Stadt dem Beispiel der Nachbarkommune Kleinmachnow folgt und sich am Stolperstein-Projekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig beteiligt. Der Künstler hat bereits in 321 Orten über 15 000 goldfarbene Messingsteine verlegt, auf denen er zuvor Namen und Daten der Opfer eingravierte. Mit dieser Aktion, so Bornschein, soll „eine Form des Erinnerns an die Opfer entwickelt werden“ – und die beginnt mit Recherchearbeiten. Anknüpfend an die Max-Sabersky-Allee wird die Stadt dabei auch an Kapitel erinnert, die lange Jahre verdrängt wurden. So bekam die Straße bereits ein Jahr nach Hitlers Machtantritt von den Stadtvätern den neuen Namen Wilhelm-Kube-Allee, nach einem NSDAP-Gauleiter, der 1936 wegen Korruption vor Gericht stand. Daher war schon kurz darauf eine erneute Umbenennung in General-Lietzmann-Allee fällig. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt die Allee wieder ihren ursprünglichen Namen zurück.
Zwar ist im Ratsprotokoll vom Juni 1934 vermerkt, dass für die neuen Straßenschilder von den Saberskyschen Erben eine Genehmigung einzuholen sei. Aber die Demütigung war offensichtlich und erste Repressalien schon 1933 spürbar. So musste Kommerzienrat Paul Mamroth seinen Aufsichtsratposten bei der AEG aufgeben, ebenso alle Ehrenämter. Er starb im November 1938 an den Aufregungen über die Pogromnacht. Ganz in der Nähe wohnte noch bis 1931 in der Villa „Erica“ die bekannte jüdische Kammersängerin Ottilie Metzger-Lattermann. Sie floh 1937 mit ihrer Tochter Susanne nach Brüssel, wurde dort aber nach der Besetzung Belgiens durch die Nazis verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Als dort im Frühjahr 1943 die neuen Gaskammern und Krematorien fertig waren, gehörte sie zu den ersten Opfern des fabrikmäßigen Mordens. Das gleiche Schicksal traf ein Jahr später einen weiteren jüdischen Nachbarn: Erich Salomon, seine Frau und seinen jüngsten Sohn. Salomon, der seine Kindheit in Seehof verbrachte, gilt als Erfinder des Bildjournalismus. Ein anderer Seehofer, der jüdische Staranwalt Erich Frey, floh 1933 aus Deutschland. Auch einem großen Teil der Saberskyschen Erben gelang noch im Frühjahr 1939 die Ausreise. In der Gedenkstätte Am Großen Wannsee findet sich auf der Deportierten-Liste auch der von Dorothea Sabersky, geborene Meyer. Darunter: geb. 22.11.1861 Teltow; Deportation 02.04.1942 von Berlin nach Warschau; Todesdaten: Mai 1942. Auch die 62-jährige Teltowerin Ernestine Gumpert starb im Oktober 1944 in Auschwitz, ebenso vier weitere Juden mit Namen Gumpert, die allerdings aus Großbeeren stammten. In der Bürgerrolle der Stadt Teltow taucht der Name eines Kaufmann Levi Gumpert erstmals 1859 auf.
Der Start für die Aktion „Stolpersteine“ findet heute um 20 Uhr im Bürgerhaus, Ritterstraße statt. Eingeladen sind alle, die sich für dieses Geschichtskapitel Teltows interessieren. Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
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