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KulTOUR: Über die Steppe hinaus

Kleinmachnows Kirche feierte Jazzgottesdienst

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Kleinmachnow - Wie viel Tradition braucht die Kirche, wie viel davon ein Mensch, und wie kann man beides lebendig halten? Fragen dieser Art haben die Kirchen nicht erst seit gestern beschäftigt. Ältere werden sich erinnern, wie beliebt vor vierzig oder fünfzig Jahren die „Gottesdienste einmal anders“ unter der evangelischen Jugend waren. Die Elterngeneration sah das natürlich völlig anders. Auch heute wird dies und das ausprobiert, damit „die Hütte voll werde“.

Was die Auferstehungskirche im Kleinmachnower Jägerstieg betrifft, so hat sich dieser mehr oder weniger fromme Wunsch von Pfarrer Jürgen Duschka am Sonnabend wohl erfüllt. Duschka hatte zum Jazzgottesdienst mit der ortsnahen Band „Luna“ eingeladen – und viele, viele kamen. Besonders zahlreich war die Jugend vertreten. So ein Jazzgottesdienst zur Passionszeit klingt ja nicht nur gut, er bringt auch frisches Leben in die Bude. Obwohl sich Trommler Stephan Blank, Pianist Hagen Grahlow, Tobias Merkel am Bass und Heinrich Gürtler am Schlagzeug an englischsprachige Klassiker wie „Go Tell It on the Mountain“, „Just a Closer Walk with Thee“ oder „Amazing Grace“ hielten, war eine richtig gute Stimmung von Anfang an garantiert.

Das Jazz-Quartett spielte außerordentlich gepflegt, temperamentvolle Ausraster waren eher selten. Nach fast jedem Vortrag gab es, warum nicht, vom Gestühl her spontanen Applaus. Wie gut die Fürbitte nach oben und der Jazz hier unten zusammengehen, war beim gemeinsamen Gebet an den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist schnell abzulesen: Pfarrer Jürgen Duschka trug die Bitten vor, die Gemeinde sang dazu das kurze US-Traditional „Amen“, musikalisch von der Band „Luna" begleitet. Das funktionierte, na klar!

Natürlich ändern neue Arrangements oder leicht verjazzte Lieder aus dem Württembergischen Gesangbuch noch nichts am liturgischen Ablauf eines Gottesdienstes. Die förmlich mit Sie angesprochenen Besucher wurden aufgefordert, sich zusammen mit dem Pfarrer auf eine Reise zu begeben, „Lebenszeit“ genannt, zu der es natürlich auch biblische Vorbilder gibt: Moses in der Dornbusch-Szene, und Jesus bei seinem letzten Aufbruch nach Jerusalem.

Beide, so erklärte Pfarrer Duschka in seiner Predigt, hätten die Kraft zur Suche gehabt, den Mut, weiter als bis zum Möglichen zu gehen. Oder allegorisch mit Mose: Über die Dornbusch-Steppe hinaus bis zur Wüste. Dass man sich dabei (und überhaupt in jeder Lebenslage) auf Gott verlassen kann und soll, ist ein Rat, den hier kaum einer von innen her fasst. Er sei für den, der da aufbricht, ein Mitgehender. Angenehm die Art der Predigt, angenehm auch, wie sich dieser Pfarrer als ein den Gottesdienst Lenkender verstand, nicht als die Hauptperson der Stunde.

Das verjazzte Passionslied „Korn, das in die Erde“ nach der Predigt war ein Beispiel, dass man nicht immer nur altgediente Töne finden muss. „Luna“ hielt die Aufmerksamkeit der Gemeinde mit Pfiff und Verve die ganze Zeit aufrecht. Nichts war hier langweilig. Ein gemeinsames Abschlussgebet, die Kollekte für die Kapelle, Fürbitten, der Segen, auch Paul Gerhardts Choral „Ich singe dir mit Herz und Mund“ mit jazzigem Gewand. Das übliche Programm, der traditionelle Ablauf, aber mit viel frischem Wind.

Dann zog sich, wer bleiben wollte, in den Vorraum zurück, wo der maskuline Kochkreis Speis und Trank vorbereitet hatte und eine kleine Ausstellung von Lydia Hurtienne über Kästners „Die 13 Monate“ zu sehen war. So konnte der Abend noch lang werden. Gerold Paul

Gerold Paul

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