
© Andreas Klaer
Potsdam-Mittelmark: „Überall Pferdeäpfel“
Stahnsdorfs Bürgermeister Bernd Albers kritisiert die Beschwerdeplattform „Maerker“ und regt eine Debatte an. Doch in anderen Kommunen findet man den Service hilfreich
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Stahnsdorf - Steht ein Pferd in Stahnsdorf und verliert einen Apfel. Was wie ein Witz beginnt, löst in der Gemeinde regelmäßig Kettenreaktionen aus: Ein Anwohner tritt in den Rossknödel, ärgert sich und greift in die Tasten: „Die Situation wird immer schlimmer“, ist dann auf der Beschwerdeplattform „Maerker“ im Internet zu lesen. Pferdeäpfel, so weit das Auge reicht. „Ob auf der Straße oder auf Gehwegen. Überall. Es wäre schön, wenn auch die Gemeinde sich über die Besteuerung der Pferde Gedanken macht.“
Solche Einträge in die Beschwerdeplattform „Maerker“ beschäftigten dann eine ganze Verwaltung, sagt Stahnsdorfs Bürgermeister Bernd Albers (BfB). Seit dem Start von „Maerker“ erreichen das Rathaus eine Vielzahl von Beschwerden: Schlaglöcher, Falschparker, Müll, Raserei. Die Mecker-Ecke ist gut gefüllt, der Ton oft ruppig: „Hat der Ort noch ein Ordnungsamt das für Ordnung sorgt?“ –„traurig, traurig“. Mit der Behördenschelte soll jetzt Schluss sein, sagt Albers.
Er will eine Debatte über Sinn und Zweck des Maerker-Services anregen. Zu bürokratisch sei der anonyme Dienst, technisch überholt und das Ergebnis für Bürger und Verwaltung oft unbefriedigend. „Häufig lesen wir Sachen, die da nicht reingehören“, sagt der Bürgermeister. Dazu gehörten Beschimpfungen und Nachbarschaftsstreitigkeiten. Bei vielen Anliegen sei die Gemeinde zudem machtlos: Für Tempokontrollen muss die Polizei sorgen, für die Anordnung von Tempo 30 der Landkreis und Sperrmüll entsorgt der Abfalldienst. „Wir können nur weiterleiten, das erhöht die Unzufriedenheit.“
Der „Maerker“ – ein Missverständnis? Seit der Service im Jahr 2009 brandenburgweit ans Netz ging, können mittlerweile Bürger in 54 Kommunen ihrer Verwaltung über das Portal Hinweise eintragen. Die Rathäuser versprechen im Gegenzug, sich in höchstens drei Werktagen darum zu kümmern. Auf der Webseite wird per Ampel über den Stand der Problemlösung informiert. Seit drei Jahren gibt es das Portal in Berlin und Potsdam, auch Werder (Havel), Beelitz sowie Teltow und Kleinmachnow nutzen es.
In Teltow und Kleinmachnow kann der Stahnsdorfer Ärger allerdings nicht nachvollzogen werden. „Der Maerker ist kein Meckerportal“, sagt Kleinmachnows Gemeindesprecherin Martina Bellack. Sie hält den Service für eine gute Sache, schließlich bringe er dem Rathaus auch konstruktive Hinweise ein. Außerdem: „Es zeigt, wir machen hier was.“
Als der Dienst in Kleinmachnow ans Netz ging, sei er eingeschlagen wie eine Bombe. Es schien, als würden sich Bürger ihre Sorgen von der Seele schreiben. Inzwischen habe der Ansturm nachgelassen. „Der Aufwand hält sich in Grenzen“, so Bellack. Etwa 15 Minuten pro Tag bringe sie für die Portalpflege auf. Auch in Kleinmachnow müssten Anfragen aussortiert, Beleidigungen gestrichen und Namen unkenntlich gemacht werden.
Trotz des Aussortierens ist auch Teltows Stadtsprecherin Andrea Neumann vom Beschwerdeportal als Instrument der Bürgerbeteiligung überzeugt: „Die Plattform bietet die Möglichkeit, ohne großen Aufwand und auf direktem Wege Hinweise ans Rathaus zu übermitteln.“ Sind Ampeln kaputt oder fallen Laternen aus, bemerkten es Anwohner meist schneller als das Ordnungsamt. Rasch und effektiv könnten solche Probleme dann erledigt werden, schwärmt Neumann. Der „Maerker“ sei kein Mehraufwand, sondern eine sinnvolle Ergänzung der Rathausarbeit.
Das sieht Stahnsdorfs Bürgermeister Albers anders. Früher klingelte im Rathaus einfach nur ein Telefon, wenn eine Laterne ausfiel. Es trafen auch mal Faxe, Briefe und E-Mails ein oder die Anwohner machten sich persönlich in der Amtsstube Luft. Das Persönliche fehle jedoch beim anonymen „Maerker“. „Wir können einfach keine Nachfragen stellen.“
Deshalb hat Albers über eine Alternative nachgedacht: ein eigenes Stahnsdorfer Beschwerdeportal, einzusehen nur für die Verwaltung. Im direkten Kontakt mit den Anwohnern könnte man dann die Probleme auf die gute alte Art lösen oder für Verständnis werben, wenn in Stahnsdorf wieder ein Pferdeapfel zu Boden plumpst.
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