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Potsdam-Mittelmark: Übernachten wie die Indianer

Die Tipi-Zelte im Töplitzer Kinderdorf sind beliebt, trotzdem könnten noch mehr Gäste kommen

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Werder (Havel) - „Ich hab so ein Krabbeln“, wundert sich Toni und reibt mit seiner schon schwarzen Handfläche an der Nase. „Als Stadtkind weiß man eben nicht, ob man gegen so etwas allergisch ist“, scheucht ihn sein Onkel Silvio Bauer zur Abhärtung zurück in den großen Stall zu den Kaninchen. In Gehegen, in denen sich sonst Schafe oder Ziegen aufhalten könnten, wimmelt es im Töplitzer Kinder-, Jugend-, Begegnungs- und Freizeitzentrum (KJBF) von ihnen. Schwarz, braun und auch einige weiße mit Flecken rennen durch das frische Heu, das der 13-jährige Toni und sein 7-jähriger Cousin David gerade hinein gebracht haben.

Die beiden Leipziger Kinder hat es für eine Woche in das Töplitzer Kinderdorf verschlagen. Zusammen mit Davids Eltern verbringen die Jungs hier ihre Nächte in einem der Tipi-Zelte und ihre Tage mit den Ziegen, Schafen, Kaninchen, Kücken, Zebrafinken und Zwergwachteln des KJBF oder eben mit anderen Kindern - fernab vom Stadtstress.

„Man merkt richtig, wie sich die Kinder und Eltern bei uns erholen“, sagt Alexander Tesch, neuer Leiter des Ferienlagers. Seit rund einem Jahr hat der Töplitzer die Zügel in dem ehemaligen Herrenhaus eines Fliegeringenieurs in der Hand und knüpft an die lange Geschichte des Geländes als Kinder- und Jugendferienlager an. Schon nach dem Zweiten Weltkrieg und später zu DDR-Zeiten füllten junge Menschen das Haus mit neuem Leben, erzählt Tesch. Der frühere Altenpfleger und Betreuer für behinderte Menschen liebt seine Arbeit, auch wenn er in den Sommermonaten selten zur Ruhe kommt. Immer wieder müssen platte Bälle aufgepumpt, gruselige Nachtwanderungen geplant, Tagesausflüge nach Potsdam oder Berlin vorbereitet oder die Geranien vor dem hauseigenen Schafbock geschützt werden. „Wenn der frei rumläuft, knabbert er alles an“, sagt Tesch mit einem breiten Grinsen und streichelt dem geschorenen Tier über den Rücken, „aber da passen die Kinder schon auf.“

Die Nähe zu den vielen Tieren ist Pflicht, erklären Toni und David. Jeden Morgen stehen die beiden Leipziger besonders früh auf, um sie zu füttern. Stallausmisten macht „doch richtig Spaß“, sagt David. Für den Siebenjährigen ist es der erste Ausflug in ein Ferienlager, und natürlich ist hier alles besser als zu Hause. Vor allem weil man hier so gut spielen kann. Bewährt hat sich dabei das alte Cowboy-und-Indianer-Spiel, sagt Alexander Tesch. Schon er selbst sei als Kind auf der Jagd nach Rothäuten durch den Töplitzer Wald gezogen, doch solche Indianerzelte, wie sie nun auf der Anlage stehen, gab es früher nicht. Sechs Meter ragen sie in die Höhe und bieten Platz für acht müde Krieger. Vier Zelte zum Übernachten und eines zum Spielen. Gerade in lauen Sommernächten wollen viele darin schlafen, wenn nicht sogar unterm Sternenhimmel. Ansonsten gibt es noch 50 Betten im Haus und weitere elf in einem Sommerbungalow nebenan.

Zu tun gibt es für die drei Angestellten des KJBF, das von der AWO Frankfurt/Oder und dem Verein Lebenshilfe Brandenburg finanziert wird, genug. Ganzjährig können sich Familien sowie Kinder-, Schul- oder Seminargruppen hier einmieten. „Es könnten noch mehr sein“, sagt Tesch. Ohne finanzielle Hilfe sähe es schlecht aus. Deshalb will er neue Ideen umsetzen und die alte Kreativscheune wiederbeleben. Schon jetzt können Kinder hier kochen lernen. Und am 23. August wird ein Tag der offenen Tür gefeiert. Zu Gast sind Musiker, Zauberer und ein echter Indianer. Tobias Reichelt

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