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Aus dem GERICHTSSAAL: Üble Beschimpfungen

30 Sozialstunden für Förderschulabgänger

Stand:

Werder - (Havel) „Ich war einfach neben der Spur“, erzählt David D.* (20) vor dem Jugendgericht. „An dem Tag hatte ich aus Frust alles durcheinander getrunken. Dann bin ich auf einer Parkbank eingeschlafen.“ Später, mit klarem Kopf, sei ihm bewusst geworden, dass er Mist gebaut habe. Damit so etwas nicht wieder passiere, wolle er dem Alkohol komplett abschwören, dafür lieber Sport treiben, versichert der schwergewichtige Werderaner.

Laut Anklage schickte der Förderschulabgänger am 29. September 2007 einer Bekannten eine SMS, in der er die junge Frau als „kleine Drecksau“ titulierte, die eine Nase sowie einen Körper wie ein Jude habe, zudem kein Deutsch könne. Ihren Lebensgefährten bezeichnete er als „Schweinefreund“. Beiden drohte er an, „sie seien die nächsten“. Am frühen Morgen des 30. September soll David D. ein ihm völlig unbekanntes Mädchen, das in Werder auf dem Bordstein saß, als „rechte Zecke“ beleidigt, es dann aufgefordert haben, sich zu erheben, sonst schlüge er es zusammen oder träte ihm in den Bauch. Dann habe er weiter geäußert: „Scheiß Zecken, so was liebe ich. Die Juden gehören alle wieder ins KZ. Irgendwann gibt es einen großen Knall, und dann bist du auch dabei“.

„Ich möchte mich entschuldigen“, betont der Arbeitslose kleinlaut. „Selbstverständlich war das alles nicht so gemeint. Ich habe überhaupt keine rechte Einstellung. Und von meinen Kumpels, die ein bisschen rechts ticken, werde ich mich entfernen.“ Die Polizeibeamten, die den inzwischen Ausgenüchterten befragt hatten, notierten: „Im Rahmen der Gefährdungsanalyse wurde festgestellt, dass von David D. momentan keine weiteren derartigen Straftaten zu erwarten sind.“ Er sei eher ein Mitläufer, so ihre Einschätzung.

In der Tat fiel der junge Mann, der noch bei seiner Mutter wohnt, bislang nicht durch politisch motivierte Delikte auf. Einmal wurde er beim Ladendiebstahl erwischt, ein anderes Mal der Körperverletzung überführt. Die Staatsanwaltschaft sah in beiden Fällen von der Strafverfolgung ab. Jetzt müsse ein Denkzettel her, findet die Vertreterin der Anklage. Sie fordert, David D. wegen Beleidigung sowie Nötigung nach Jugendstrafrecht zu verwarnen, ihm zudem aufzuerlegen, 30 Sozialstunden zu leisten. „Bei Erwachsenen gibt es dafür Geld- oder Freiheitsstrafen“, gibt sie zu bedenken.

„Man kann nicht so viel trinken, dass man nicht mehr Herr seiner Sinne ist“, betont die Richterin. Sie sieht erhebliche Entwicklungsdefizite bei dem Angeklagten, hält ihm allerdings seine Entschuldigung zugute. 30 Stunden unentgeltlicher Arbeit binnen zwei Monaten reichen, findet sie. „Leisten Sie die allerdings nicht, wandern Sie in den Arrest“, warnt sie. (*Name geändert.) Hoga

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