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KulTOUR: Und Schnee fällt heimlich leise

Zweiter Gedichtband des Kleinmachnower Fotografen Siegmar Jonas

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Kleinmachnow - Gar nicht so lange nach dem Erscheinen seines ersten Gedichtbandes mit dem schönen Titel „Du bist der Klang in mir“ legt der Kleinmachnower Galerist und Fotograf Siegmar Jonas einen Folgeband vor, liebevoll gestaltet wie jener, diesmal mit Aquarellen und Kreidezeichnungen von Jutta Nathalie Harder „begleitet“. War der literarische Erstling mehr interaktiv angelegt, so macht „Unter den Flügeln des Windes“ eher den Eindruck einer lebens-bilanzierenden Innenschau, wo jemand kapitelweise noch einmal seines Erwachens und Aufbruchs gedenkt, seiner Reisen und Träume, der Liebe, und wie sich der Blickwechsel auf dies und das im Laufe der Jahre ändert.

Formal versucht der Autor, seine Gedichte ein weiteres Mal zum Gang durch die Jahreszeiten zu machen. Aber sein lyrisches Ich unterläuft diese Tendenz immer wieder. Sinnvoller ist es, sein Leben in der Abfolge der Jahreszeiten, den Dingen und Erscheinungen wiederzuerkennen. Dies ist denn auch jene Zauberbrücke, die zum Bruder Leser führt.

„Warten auf Licht, bereit sein, sich der Ankunft zu öffnen .... Licht werden / am Rande des Meeres / für ein im Dunkel / treibendes Schiff" heißt es metaphorisch im Gedicht „Am ersten Advent gegenüber vom Leuchtturm“. Zweifellos kann man über „einen Jonas“ nicht flüchtig hinweghuschen, dafür ist seine Lyrik zu schön, zu substantiell. Unter den Flügeln des Windes ist mehr Raum als gedacht. Im Gegensatz zu seinem Ersten, darin er die klassischen Maße für sich beherrschbar machte, geht er jetzt freier um mit Silben und Themen, pflegt seiner Intention, weniger einer erstarrten Form. Das ist unbedingt gut, wenn auch, na klar, nicht in jedem Gedicht erkennbar. Dafür macht es den Poeten freier, sein Leben, Denken, seine Erfahrenheit, sein Tun und Hoffen, kurz: Das in Lyrik gegossene Verstandenwerden-Wollen als poetische Lebensbilanz, oder Bitte.

Siegmar Jonas wurde 1940 in Stettin geboren, arbeitete in technischen und kaufmännischen Berufen, bevor er sich, nach erfülltem Arbeits-Dasein, mit Feder und Kamera, der Natur zuwandte. Nimmt man seine hochkarätigen Fotos vom Baltikum bis zur Nordsee und den Satz von Karl Hagemeister hinzu, wonach die Landschaft eigentlich nur durch die Stimmung lebe und „Trägerin des seelischen Elements“ sei, so wäre die Anzeige von Siegmar Jonas’ neuem Gedichtband eigentlich fertig, denn alles, was er besingt, ist er selbst, auf Pfaden der Stille, am Ozean, zur Brombeerblüte, mit Abendhimmel oder Ohne Abschied oder, Franz Schubert gleich, in dieser Form: „Im reifen Herbst umwehte / mich Sonnenlaubgesang / ein Wind, der kälter drehte, befiehlt nun meinen Gang: Ich bin auf Winterreise / mit weißem Bart am Kinn / und Schnee fällt heimlich leise / auf meine Jahre hin.“

Der Mann ist ein Poet, und also eigen genug, dass nicht jeder ihn „bekommt“. Er warnte ja selbst unter den Flügeln des Windes: „Suche den Pfad nicht / der einst in die Arme / des Liebsten dich trug “, denn die Zeit sei längst zum Dickicht geworden für die schlafende Unke, für Glühwurm und Traumbild, für Stein und Libelle: „Warten auf Licht, bereit sein, sich der Ankunft zu öffnen “

Dieses Buch ist eine Empfehlung zum Fest des Lichtes für alle, die Maß und Ruhe suchen, weil sie, nach Otto Reutter, „det Tempo“ heute nicht mehr vertragen.

Siegmar Jonas: „Unter den Flügeln des Windes“, zu beziehen in der Galerie „Zur Kastanie“, Ernst-Thälmann Str. 101

Gerold Paul

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