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KulTOUR: Unnötige Bilder

Die Stahnsdorfer Kunstmeile bot einige Entdeckungen, aber auch Flops

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Stahnsdorf - Die meisten dürften Stahnsdorf vor allem als Passage zwischen Teltow oder Potsdam kennen. Aber die alte Ackerbürgergemeinde mit ihrer im Grunde romanischen Kirche und dem Schnitz-Altar von 1430 hat weitaus mehr zu bieten: seitab vom Wege der gut erhaltene Dorfkern mit einem Friedhof, auf dem die Bäume bis in den Himmel wachsen. Einladende Gehöfte, „Malwiese“ steht auf einem dran, „Aux Delices Normands“ auf einem anderen. Zwei gute Adressen auf einem Rundgang über die „Stahnsdorfer Kunstmeile".

Vier Künstlerinnen aus dem Stahnsdorfer Atelierhaus hatten im vergangenen Jahr die Idee zu dem Projekt, jetzt soll die Kunstmeile als fixer Termin im Herbst etabliert werden. Hier wurde zur Geselligkeit eingeladen, zum Betrachten von Kunst, aber auch zum Gespräch mit den Künstlern – falls sie denn anwesend waren. Auf den hundertjährigen Gehöften funktionierte das Konzept auch sehr gut, hier konnte man in ausgebauten Scheunen neue Malerei entdecken und trotzdem seinen Sonntagskuchen essen.

Man begegnete dem Zinngießer Lutz Werner, Stahlplastiken von Christian Röhl und Malereien von Kornelius Wilkens. Wo sonst gezischlert wird, bei der Firma Leja, konnte man der wohl antiksten Innenausstattung weithin begegnen, aber auch den zerbrechlichen Tonpapier-Collagen von Egon Wrobel, Thema „Afrika".

Bei den nächsten Adressen staunte der an anderen Touren geschulte Kunstwanderer dann aber nicht schlecht: An einigen Stationen war lediglich „Schaufenster-Malerei“ vorzufinden, Bilder als Geschäftsauslagen, ohne Zutritt, ohne die Macher. Mochte das alles auch noch so abstrakt oder naiv daherkommen – solche Mühen sollte man sich künftig besser sparen. Eine Entdeckung war dann wieder ein verträumtes Café in der Ruhlsdorfer Straße, wo es zwar nicht, wie versprochen, spanische Keramik zu sehen gab, dafür aber interessante Bilder von Gudrun Angelika Hoffmann, Holzskulpturen von Ulli Kittelmann, sowie erfrischendes Eis an diesem sommerlichen Wochenende.

Den nächsten Flop gab es gegenüber, bei „Fit 2 000“. Trotz der Ankündigung auf dem lindgrünen Flyer war hier nichts ausgestellt! So pilgerte man, wieder ein Schaufenster mit unnötigen Bildern passierend, zum Kern des ganzen Unternehmens, zum Multifunktionsgebäude Wilhelm-Külz-Straße 75, wo bis ins hohe Dachgeschoss herauf alles wie aus dem Ei gepellt wirkt. Dort war alles wie immer: Schickimicki, Kommerz, freundliche Gesichter treppauf wie treppab. Ganz oben stellte jemand Kopien einer Nike aus, geflügelt, doch kopflos, mit der Behauptung, diese Figur „wirke“ auch ohne Haupt – mehr körperlich, also en vogue. Aber in diesem fast klinisch reinem Haus geht es ja ohnehin mehr um Gewinn und Gewerbe. Selbst der Maler Mario Paublo machte das, was er auch sonst immer macht.

Die zweite „Kunstmeile“ erweckte also gelegentlich den Eindruck, als ob die richtige Loipe noch nicht gefunden sei. Zu viele Ausfälle auf der einen Seite, zu wenig Anspruch auf der anderen. Man muss sich jedoch nicht alles unterjubeln lassen, was so gerne Kunst genannt werden möchte! Und man merkte bald, wie dieser Parcour mehr auswärtige als heimische Künstler zu präsentieren schien. Was einem auf dem Weg begegnete, war fast immer interessant. Was man hingegen sah und dargeboten bekam, wirkte nicht selten an- oder aufregend. Aber „Gegenwartskunst“ geht ja ohnehin mehr in die Breite als in die Tiefe.

Gerold Paul

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