Von Peter Könnicke: Unsichtbarer Himmel
Auf dem Teltower Info-Markt über Fluglärm wurde vor einer „Beschwichtigungstaktik“ gewarnt
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Teltow - „Was ist das?“, fragt ein kleines Mädchen. „Ein Flugzeug“, weiß deren Schwester. Instinktiv schauen sie zum Himmel, doch es ist nichts zu sehen. Das Gedröhn kommt aus einem Lärmmobil, es simuliert einen Airbus 380 in knapp 1000 Meter. In nicht allzu ferner Zukunft könnte am Teltower Himmel auch zu sehen sein, was so einen Krach macht. Wer am vergangenen Samstag aufmerksam über den „Infomarkt zum Thema Fluglärm in Teltow und in der Region“ spaziert ist, hat gelernt, dass bei Inbetriebnahme des neuen Flughafens in Schönefeld täglich knapp 200 Flugzeuge über die Stadt donnern könnten, in Spitzenzeiten alle vier Minuten.
Auf unterhaltsame Art und Weise animierte der Verein „Teltow gegen Fluglärm“ die Besucher, sich über die seit fast einem halben Jahr diskutierten Flugrouten, deren Folgen und aktuellen Varianten zu informieren. An 20 Info-Ständen und in vier Fachvorträgen auf dem Marktplatz und im Rathaus erfuhren sie Wissenswertes über Fluglärm, Gesundheitsfolgen, Nachtflugverbot, Dauerschallpegel, Start- und Landemanöver. Beim Besuch eines Info-Standes gab es einen Stempel, sechs Stück davon berechtigten zur Teilnahme an einer Tombola.
Es sollte bewusst keine Protestveranstaltung sein, betonte Mit-Organisator Thomas Czogalla. Es gehe vielmehr darum, das Bewusstsein und das Interesse wachzuhalten und zu schärfen. Denn trotz der vor wenigen Tagen in der Fluglärmkommission erstmals vorgelegten Ideen zu alternativen Flugrouten könne keine Entwarnung gegeben werden. Im Gegenteil: „Beschwichtigungstaktik“ nennt Dietmar Viehweger das, was Planer und Betreiber des Flughafens derzeit versuchen. Viehweger ist Teltows Vertreter in der Fluglärmkommission (FLK), in der die vom Fluglärm betroffenen Kommunen versammelt sind und zahlreiche Gemeinden erst nach dem massiven Protest gegen die am 6. September vorlegten Flugrouten aufgenommen wurden.
Viehweger war um eine sachliche Darlegung der neuen Vorschläge bemüht. Doch kam er ebenso wie der ein oder andere Sachkundige im Publikum nicht umhin festzustellen, dass auch die neuen Überlegungen der Deutschen Flugsicherung (DSF) zu einer enormen Lärmbelastung der Region führen werden. So hätten die regionalen FLK-Vertreter nach mehrmaligem Nachfragen erfahren, dass auch schwere Maschinen, die auf der sogenannten Jet-Route über Potsdam und die Havelseen-Kommunen fliegen sollen, die Region Teltow beeinträchtigen werden. Denn nach Start von der Nordbahn des künftigen Flughafens können die Piloten aller Maschinen ab einer Höhe von 1500 Metern – das wäre über Ludwigsfelde – die Freigabe zum Abknicken erbeten. „Das wird zu 80 Prozent der Fall sein“, prophezeit Kleinmachnows FLK-Vertreter Michael Lippoldt. Schon um Kerosin zu sparen, würden die Jets so schnell wie möglich auf den richtigen Kurs steuern – was am Boden fatale Folgen befürchten lasse: „Wir werden keinen Himmel mehr sehen“, orakelt Lippoldt und nennt es eine „Unverschämtheit, was die Deutsche Flugsicherung nach sechs Monaten vorgelegt hat“.
Längst sind nicht alle Fragen geklärt – weder für die Gäste des Teltower Info-Marktes, noch für jene, die in der Fluglärmkommission an vermeintlich bester Informationsquelle sind. So gebe es laut Viehweger bislang keine Auskunft, in welchen Luftkorridoren die Flugzeuge beim Landeanflug verkehren werden. Lediglich für Spitzenzeiten in einem Zeitfenster von drei Stunden sei dies bislang dargestellt (PNN berichteten). „Für die restliche Zeit hat jeder Fluglotse die Möglichkeiten, Flugzeuge nach seinem Ermessen landen zu lassen“, erklärt Viehweger. Demnach hätten die beiden Mädchen kein Problem mehr zu entdecken, was da so einen Lärm macht. Denn nicht nur der Startverkehr würde den Himmel über der Region verdunkeln, sondern auch landende Maschinen.
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