Von Andreas Wilhelm: Vater und Sohn im Eis eingebrochen und ertrunken
Drama auf kleinem Waldsee bei Kloster Lehnin / Feuerwehrtaucher fanden die Leichen nach Mitternacht
Stand:
Kloster Lehnin - Zwei Schuhe schwammen im Eiswasser, ein großer und ein ganz kleiner – das war der des dreijährigen Sohnes. Da ahnten auch die Polizisten im Hubschrauber und all die Einsatzkräfte mit ihren Spürhunden am Ufer: Der Vater, 30, ist in diesem kleinen Waldsee bei Kloster Lehnin mit seinem Sohn eingebrochen. Eine Stunde nach Mitternacht schließlich fanden Feuerwehrtaucher die Leichen. „So einen schrecklichen Fall hatten wir noch nie“, sagte eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Potsdams gestern.
Die Beamten rekonstruierten das Unglück so: Am frühen Sonntagabend hatte der Vater seinen Sohn von der Mutter abgeholt, von der er getrennt lebt. Die beiden wollten spazieren gehen. Sie gingen auf den zugefrorenen Waldsee „Kellnerfenn“. Der Vater habe von dort mit einer Bekannten telefoniert, berichtete die Polizei, dann habe er gesagt, er müsse auflegen und rufe zurück, die Verbindung brach ab – doch der Mann war nicht mehr zu erreichen. Zwei Stunden später informierte die Bekannte die Mutter des Kindes. Diese alarmierte die Polizei. Die große Suche begann.
Weil der Vater aber nicht gesagt hatte, auf welchem See er unterwegs war, musste die Polizei alle infrage kommenden Gewässer absuchen. Gegen 22 Uhr hatten sie schließlich die Einbruchstelle mit den Schuhen entdeckt – wenige Meter vom Ufer entfernt. Ob der Mann aufgelegt hatte, um das Kind zu retten und dann selbst eingebrochen ist, wird nach Polizeiangaben ungeklärt bleiben. Der Mutter des Kindes steht ein Seelsorger bei.
Geprüft wird auch, ob es sich um einen Suizid gehandelt haben könnte: Laut Feuerwehr stand ein Schuh des Kindes neben dem Eisloch; außerdem habe sich der Vater dort gut ausgekannt. Allerdings gebe es keinen Abschiedsbrief, die Ex-Lebensgefährtin habe auch nicht von einem Streit berichtet. Offiziell geht die Polizei von einem Unglück aus.
„Die Ermittlungen ergaben, dass beide Verunglückte noch einige Meter über die Eisfläche gegangen sein müssen, bis sie einbrachen“,sagte Polizeisprecher Heiko Schmidt. Nach Auskunft eines Feuerwehrmannes war das Gewässer mit etwa 100 Metern Durchmesser längst nicht völlig zugefroren. An der Stelle, wo Vater und Sohn einbrachen, ist der See – ein Überbleibsel des einstigen Torfabbaus – fünf bis sechs Meter tief. Seit Tagen herrschte in der Region Tauwetter, am Sonntagnachmittag lagen die Temperaturen laut Deutschem Wetterdienst bei vier bis sechs Grad.
Nach Auskunft des Vize-Direktors des Brandenburgischen Landesinstituts für Rechtsmedizin, Jörg Semmler, hatten der Vater und sein Sohn in dem kalten Wasser keine Chance. „Bei einer Temperatur von null Grad unter der Eisdecke tritt innerhalb weniger Minuten die Bewusstlosigkeit ein und man ertrinkt“, sagte Semmler. Kinder würden dabei schneller als Erwachsene bewusstlos. Unterkühlung spiele bei diesen Temperaturen als Todesursache keine Rolle.
Unfälle auf zu dünnem Eis geschehen in Brandenburg und Berlin in tragischer Regelmäßigkeit. Einen Tag vor Weihnachten war ein sechsjähriger Junge in Biegen (Oder-Spree) beim Betreten des Dorfteiches eingebrochen und ertrunken. Sein drei Jahre älterer Bruder wollte helfen, brach ebenfalls im Eis ein, konnte sich jedoch selbst ans Ufer retten. Und Anfang Januar war ein 56-jähriger Kleinmachnower mit seinem zweijährigen Enkel um ein Haar im Zehlendorfer Schlachtensee ertrunken. Er befuhr mit Fahrrad und Kinderanhänger die Eisfläche und brach ein; beide konnten jedoch von der Feuerwehr gerettet werden (PNN berichteten).
Der Brandenburger Wasserschutzpolizei zufolge ist es zu jeder Zeit gefährlich, Eisflächen von Gewässern zu betreten. Nicht nur, weil die Temperaturen oft nicht für eine tragende Eisdecke ausreichten. Auch die stark schwankenden Wasserstände führen auf Havel, Spree und den angeschlossenen Seen zu instabilen Eisflächen. (mit dpa/ddp/AP)
Andreas Wilhelm
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: