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Verlegung von Stolpersteinen in Berlin. „Es geht darum, Menschen ihre Identität zurückzugeben.“

© Doris Spiekermann-Klaas

Potsdam-Mittelmark: Verbeugung vor den Namen

In Werder wird es nun doch Stolpersteine geben / Emotionale Debatte nach anderslautendem CDU-Antrag

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Werder (Havel) - Die unter der Schreckensherrschaft der Nazis verstorbenen Werderaner Juden sollen ihre Namen zurückbekommen: In Werder wird es nun doch Stolpersteine geben. Nach einer emotionalen Debatte haben die Stadtverordneten am Donnerstagabend beschlossen, dass „jede Form des öffentlichen Gedenkens und Erinnerns“ an jüdisches Leben und jüdische Opfer begrüßt wird. Der Beschluss fiel nach einer Sitzungsunterbrechung einstimmig.

Stolpersteine werden darin zwar nicht ausdrücklich genannt. Es bestand aber Konsens in allen Fraktionen, dass das europäische Gedenkprojekt des Künstlers Gunter Demnig auch in Werder stattfinden darf. Europaweit wurden bereits 35 000 der kleinen Namensplatten in Gehwege verlegt und erinnern an letzte Wohnstätten von Menschen, die unter der Hitlerdiktatur ums Leben kamen.

Die vom Toleranzbündnis Kurage initiierte „Arbeitsgruppe Stolpersteine“ will nun einen vor anderthalb Jahren gestellten, unbeantworteten Antrag ans Rathaus auf Verlegung der Messingtafeln erneuern, sagte AG-Sprecher Joachim Thiele den PNN. Die AG geht davon aus, dass mindestens 30 jüdische Bürger aus Glindow und Werder in der Nazizeit ihr Leben verloren. Einzelne der Schicksale seien so weit recherchiert, dass erste Stolpersteine bald gesetzt werden könnten, so Thiele. In etwa zwei Jahren will die AG auch ein Gedenkbuch herausbringen.

Die CDU-Fraktion hatte zuvor einen Antrag ins Stadtparlament eingebracht, mit dem Stolpersteine verhindert werden sollten. „Für das Gedenken an jüdisches Leben wird die Gedenkstätte für die ,Opfer von Krieg und Gewalt’ auf dem alten Friedhof genutzt“, hieß es darin. Aus dem „wird“ ist in einem gemeinsamen neuen Antrag aller Fraktionen ein „soll“ geworden. Nach mehreren Redebeiträgen war deutlich geworden, dass es für die CDU-Fassung keine Mehrheit gibt.

„Die Zeiten, in denen für Gedenkveranstaltungen alle an eine Stelle kommandierten wurden, sind vorbei“, sagte der Fraktionschef der Freien Bürger, Baldur Martin. Dass es im Zentralrat der Juden in Deutschland unterschiedliche Positionen zu den Stolpersteinen gibt – eine Position, auf die sich die CDU berufen hatte – sei politisch nicht zu lösen, so Martin.

Charlotte Knobloch, ehemalige Zentralrats-Präsidentin, hatte es als „unerträglich“ bezeichnet, die Namen ermordeter Juden auf Tafeln zu lesen, auf denen „herumgetreten“ werde. Auch Bürgermeister Werner Große (CDU) sieht das Gedenkprojekt kritisch: „Es gab in fast allen Kommunen Streit dazu.“ Die Erinnerung halte man am besten wach, indem man Kinder und Jugendliche an das Thema heranführe, so der Bürgermeister. Ein entsprechender Passus findet sich mit Blick auf ein Schulprojekt der Ossietzky-Schule auch im Konsensbeschluss der Stadtverordneten.

Die Meinung im Zentralrat war derweil nie einhellig, die heutige Zentralratsspitze sieht in Stolpersteinen „eine eindrucksvolle Möglichkeit, an die Verbrechen der Shoa gerade im Alltag zu erinnern.“ Der Lesart schloss sich in der Debatte auch SPD/Grünen-Fraktionschefin Anja Spiegel an. Vor Stolpersteinen müsse man sich verbeugen, um die Namen zu lesen. „Es geht darum, Menschen ihre Identität zurückzugeben.“ Werder sei ein „Ort der Vielfalt“, das sollte auch für die Erinnerungskultur gelten. „Jedes Engagement sollte gewürdigt werden.“ Eine Haltung, auf der man sich nach fünfminütiger Klausur der Fraktionschefs einigen konnte.

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