zum Hauptinhalt

Aus dem GERICHTSSAAL: Verbotenes Liedgut

Teltower wegen Volksverhetzung zu drei Monaten auf Bewährung verurteilt

Stand:

Teltow – Janina J.* hat nichts gegen Musik. Doch als die Teltowerin am 21. Mai vorigen Jahres aus der Wohnung ihres Nachbarn Robert R. lautstark die Liedzeilen „Ali-Gangs zieh’n durch die Nacht, was habt ihr aus Berlin gemacht?“ und mehrfach den Refrain „Türken raus aus unsrer Stadt“ hören musste, informierte sie die Polizei. Als die Beamten an der Tür des Mannes klingelten, öffnete zuerst niemand. Dafür dröhnte die CD der verbotenen Gruppe „Landser“ unvermindert durchs Treppenhaus. Schließlich drangen Schellen und Klopfen der Ordnungshüter doch noch zu Robert R.* (38) durch. Der war ziemlich betrunken, als er mit dem Vorwurf der Volksverhetzung konfrontiert wurde.

Auch zur Gerichtsverhandlung – auf Volksverhetzung steht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren – erscheint Robert R. alles andere als nüchtern. Der Arbeitslose versichert, er könne dem Prozess durchaus folgen, schließlich sei er alkoholgewöhnt. Ohne Umschweife gesteht er die Straftat. So kommt er mit der Mindeststrafe von drei Monaten davon, ausgesetzt zu dreijähriger Bewährung. Robert R. saß schon wegen versuchten Totschlags, Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Verkehrsstraftaten auf der Anklagebank – auch Volksverhetzung wurde ihm bereits vorgeworfen.

„An dem Tag war ich total blau“, berichtet der Hartz IV-Empfänger. „Ich hatte böse Nachrichten bekommen, was meine Gesundheit betrifft. Da habe ich zwei Flaschen Korn getrunken. Eigentlich weiß ich von dem Tag überhaupt nichts mehr.“ Die auf dem Index stehende CD gehöre ihm. Er habe sie auch abgespielt. „Tut mir leid, dass es zu laut war“, nuschelt Robert R. „Ich bin dabei einschlafen und hatte die Fernbedienung im Bett. Da bin ich wohl aus Versehen an den Knopf für die Lautstärke gekommen.“ „Sie sind mit Sicherheit zum Tatzeitpunkt nicht total besoffen gewesen“, wirft die Staatsanwältin ein. „1,45 Promille sind kein Wert, der bei einem Alkoholgewöhnten zu einem Blackout führt. Meinetwegen können Sie so viel trinken, wie Sie wollen. Aber wenn Nachbarn und Polizei schon von weitem hören, was bei Ihnen für Musik läuft, ist das Mist.“ Obwohl der Angeklagte bereits unter Bewährung steht, plädiere auch sie dafür, ihm ausnahmsweise eine weitere Chance einzuräumen. „Sie haben die verbotene CD im Suff zum Zeitvertreib in Ihrer Wohnung abgespielt. Anders sähe es aus, wenn Sie offen provoziert hätten.“

„Ich will vom Alkohol loskommen“, sagt Robert R. „Seit einem Jahr nehme ich an einer Suchtberatung teil.“ Amtsrichterin Kerstin Nitsche meint: „Sie brauchen eine stationäre Therapie. Sonst klappt das nie.“ (*Namen geändert.)Hoga

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })