KulTOUR: Verliebter Tod eines Playboys
Comédie Soleil zeigt Gassauers Erfolgsstück „Casanova auf Schloss Dux“ in Werder
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Werder (Havel) - Vor etwa fünf Jahren inszenierte Theaterdirektor Michael Klemm in der Potsdamer Feuerbachstraße Karl Gassauers Erfolgsstück „Casanova auf Schloss Dux“. Irmi Gillitzer und Christian Hiemer spielten die spätverliebten Protagonisten bis zum Exitus des seelenhungrigen Schürzenjägers. Die damalige Besprechung fasste das Ereignis mit den freundlichen Worten „still, galant, unspektakulär und liebenswert“ zusammen.
Nun lebt es in identischer Besetzung im Zentrum von Werder wieder auf, eine gute Entscheidung der Comédie Soleil, denn sie hat sich vor Ort zuerst bei den etwas älteren Semestern einen Namen gemacht. Und was da zwischen dem vergreisten Casanova mit seinem venezianischen Kopf-Tuch und der auch nicht mehr taufrischen Wäscheschließerin Sophie abspielt, dürfte ja das erotische Knistern „der heutigen Jugend“ kaum sein.
Nach dem spektakulären Ausbruch aus den Bleikammern von Venedig und der damenverzierten Reise durch Europa ist der berühmte Playboy alt und müde geworden. An vielen Höfen bettelt der selbsternannte Adlige des Namens Giovanni Jacopo de Seingalt um eine standesgemäße „Altersversorgung“. Keiner wollte ihn, die Zeit wälzte sich über ihn hinweg, über sein Leben, seinen Ruhm, seine Erinnerung. Nur Graf Waldstein alias Wallenstein erbarmt sich. Im nordböhmischen Schloss Dux gab er ihm die gutbezahlte Stelle eines Bibliothekars, die er zum Schreiben seiner berühmten Memoiren nutzt. Aber was nützt das alles, wenn man sie ihm in dieser tiefsten Provinz nicht glaubt, ihn deshalb auslacht?
Hier nun trifft ihn Gassauers Publikum an, vergnatzt, weil die Domestiken ihm böse Streiche spielen, entsetzt über die barbarisch-kulinarische Zivilisationsstufe dieses Landstrichs, enttäuscht, weil ihm hier reineweg niemand glaubt, weder seine reiseerfahrene Weltgewandtheit noch seine bizarren Liebesabenteuer – die Sudeten waren damals fest in vatikanischer Hand! Aus blankem Mitleid erhält die Wäscheschließerin Sophie den melancholischen Greis, man kommt ins Gespräch, er bringt sie sogar dazu, seinen Memoiren zuzuhören, immer mehr Amouren, bis es ganz langsam knistert.
Sie erzählt von ihrer einzigen Liebe im arbeitsreichen Leben, vom vergeblichen Warten auf Rückkehr des Preußensoldaten Wilhelm, eine schöne, eine reiche, eine herzenswarme Geschichte. In einem Minizimmer, darin die gräfliche Bibliothek witzigerweise durch am „Schnürboden“ befestigte Bücherbündel angedeutet wird, und diesmal „Nadel Faden“ für die historischen Kostüme verantwortlich ist, entfaltet sich das späte Spiel der Liebe.
Christian Hilmer stattet seine Rolle nunmehr mit so viel Details und Brüchen aus, dass es zur Freude wird, ihm zuzuschauen. Irmi Gilitzer bleibt dafür im Stil einer böhmischen Spätblüherin stecken. Sie reagiert wenig, sendet, so ein gewisser Wunsch in ihr entstehen möchte, wenig Signale nach außen. Was aber in Michael Klemms Inszenierung herüberkommt, das spürt man auch. Er liebt ja solche Situationen „von Mensch zu Mensch“, auch wenn sie nicht immer gelingen. Einmal fast wäre es so weit, aber Sophie wehrt aus nicht erkennbaren Gründen ab. Casanova hingegen zeigt dem Publikum: Er kann nicht mehr! Einen zweiten Versuch gibt es nicht. Während er den späteren Ablauf schon vorweg aufgeschrieben hat, stirbt er vor ihren Augen. Schade, für eine solche Riesenenttäuschung ist ihre Schlussszene viel zu schwach!
weitere Vorstellungen am 19. und 20. März um 19.30 Uhr und am 21. März um 17 Uhr, Eisenbahnstraße 210
Gerold Paul
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