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Aus dem GERICHTSSAAL: Verlobung verhindert Aussage Freispruch nach Gewaltvorwürfen

Stahnsdorf - Die Vorwürfe gegen Sebastian S.* (29) wogen schwer.

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Stahnsdorf - Die Vorwürfe gegen Sebastian S.* (29) wogen schwer. Sie reichten von Bedrohung über Körperverletzung, Diebstahl, Beleidigung, Verstößen gegen das Gewaltschutzgesetz bis hin zu Erpressung. Vergleichsweise harmlos klang da die Anklage wegen mehrfachen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Aktenberge türmten sich auf dem Tisch der Staatsanwältin. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Constanze Rammoser-Bode hatte einen ganzen Tag für den Prozess gegen den Stahnsdorfer angesetzt, zahlreiche Zeugen geladen. Doch schon nach einer Stunde endete die Verhandlung am gestrigen Dienstag mit einem überraschenden Freispruch.

Nicole N.* – vermeintliches Opfer zahlreicher Attacken des Angeklagten im vorigen Jahr – trat als Nebenklägerin auf. Sebastian S. hüllte sich zu den Taten, die ihm vorgeworfen wurden, in Schweigen. So wurde die 34-Jährige, die die Ermittlungslawine gegen den Stahnsdorfer überhaupt erst ins Rollen brachte, in den Zeugenstand gerufen. Zur Verblüffung des Gerichts beteuerte die Blondine, sie sei seit dem 1. Juni mit dem Mann auf der Anklagebank verlobt. Damit hat Nicole N. ein Aussageverweigerungsrecht. Davon machte sie auch Gebrauch.

Im Sommer 2013 schien eine Verlobung des Paares noch in weiter Ferne zu liegen. In dieser Zeit soll Nicole N. im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Diebstahls falsche Angaben vor der Polizei gemacht haben. Das wusste Sebastian S., und dieses Wissen wollte er für sich ausschlachten. Laut Anklage soll er die Frau am 25. und 26. Juni 2013 in ihrer Wohnung geschlagen, ihre Arme verdreht und gedroht haben, der Polizei die Wahrheit zu sagen, falls sie ihm nicht 1500 Euro gebe. Aus Angst vor weiteren Tätlichkeiten soll Nicole N. einen Tausender gezahlt haben.

Die Anklage listete noch weitere Tätlichkeiten des Stahnsdorfers auf, so ein „gewaltsames Eindringen in die Wohnung der Geschädigten“, wo er sie nach einem Streit getreten und ihr erneut die Arme verdreht haben soll. An einem anderen Tag sei Sebastian S. wieder in den vier Wänden der Frau erschienen, deren Betreten ihm laut einem Beschluss des Amtsgerichts untersagt worden war. Hier soll er sie mit ehrverletzenden Ausdrücken betitelt, aus einer Geldbörse mit den Tageseinnahmen ihres Geschäfts 1000 Euro gestohlen und gedroht haben, ihr „die Fresse einzuschlagen“.

Die Vernehmungsprotokolle der Polizeibeamten füllen viele Seiten. Mit der gestrigen Aussageverweigerung der frisch Verlobten wurden sie zur Makulatur. Was in ihnen dokumentiert wurde, durfte in der Verhandlung nicht berücksichtigt werden.

„Was soll ich sagen?“, fragte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft im Abschlussplädoyer. „Sämtliche Zeugenaussagen sind nicht verwertbar. Weitere Beweismittel gibt es nicht.“ So blieb auch ihr nur, Freispruch zu beantragen.

Sebastian S. kostete der Prozess keinen Cent. Dafür kommt die Staatskasse auf. Nebenklägerin Nicole N. muss ihren Rechtsbeistand bezahlen. Hand in Hand verließ das Paar den Verhandlungssaal. (*Namen geändert.) Hoga

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