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KulTOUR: Versöhnung folgt auf Attacke Kleine Bühne meldet sich mit Komödie zurück

Michendorf - Es gibt sie noch, es gibt die Kleine Bühne wieder! Am Sonnabend feierte das gebeutelte Ensemble seine erste Premiere außerhalb der gewohnten Wände, nämlich im Michendorfer Gemeindezentrum „Zum Apfelbaum“.

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Michendorf - Es gibt sie noch, es gibt die Kleine Bühne wieder! Am Sonnabend feierte das gebeutelte Ensemble seine erste Premiere außerhalb der gewohnten Wände, nämlich im Michendorfer Gemeindezentrum „Zum Apfelbaum“. Viele helfende Hände hatten dafür gesorgt, der expedierten Truppe einen Neustart zu ermöglichen, allen voran das Rathaus und eine Schule. So sieht es um die Zukunft der Truppe nicht mal schlecht aus.

Neben dem „Apfelbaum“ steht derzeit das Gemeindezentrum in Langerwisch zur Verfügung, wo neben der aktuellen Produktion „Der Gott des Gemetzels“ auch Süskinds „Kontrabass“ zu sehen sein wird. Die Verhandlungen um eine neue Spielstätte laufen, zudem haben sich etliche Interessenten als Darsteller oder für den Helfer gemeldet. Theatergründer Siegfried Patzer hatte dem Ensemble ja die Freundschaft gekündigt, damit waren auch die Türen des Volkshauses als Theaterstandort verschlossen.

Was immer daraus werden mag, das neue Logo der Kleinen Bühne mit einem Thespiskarren und dem Schriftzug „on Tour“ zeigt, wie sehr man sich auf dem Weg weiß. Natürlich waren zur Premiere am Sonnabend nach den Turbulenzen der letzten Monate „alle Augen auf uns gerichtet“, wie Theaterchefin Christine Hofer sagte. Bot es sich da nicht an, mit Yasmina Rezas Komödie „Der Gott des Gemetzels“ eine Antwort auf das Hickhack zu geben?

In diesem Kammerspiel geht es um eine Banalität: Zwei elfjährige Buben waren aneinandergeraten, einer hatte dem anderen ein paar Zähne ausgeschlagen. Die Tätereltern Anette und Alain treten den Bußgang zu den Eltern des Opfers an, um das Ganze „wie zivilisierte Leute“ miteinander zu besprechen. Natürlich wird daraus nichts, unbedachte oder auch boshafte Äußerungen und wechselnde Parteinahmen machen jeden Versuch einer „gütlichen Einigung“ sofort wieder zunichte.

Man streitet um das Rezept für den Clafouti, eine besondere Torte. Die Mütter verteidigen ihre Söhne wie wilde Löwinnen, Anette (Karina Lehmann) erbricht sich in einen kostbaren Kunstkatalog und gar ins Aquarium, was neue Turbulenzen auslöst. Alain (Andreas Linck) bekommt ständig Handy-Anrufe, als Jurist ist er soeben dabei, die Schweinereien einer Pharma-Firma zu vertuschen. Doch stellt sich heraus, dass Michels Mutter selbst von diesem Teufelszeug nimmt.

Jede Figur gibt ihr Bestes, auch Birgit Schneider als überdrehte Veronique und ihr Gatte Michel (Michael Hecht). So wabert das Streit-Gemetzel auf und ab, Versöhnung folgt auf Attacke, zuletzt weiß keiner mehr, worum es eigentlich geht. Nicht genug damit, nach dem Willen der Regie (Christine Hofer) fängt am Schluss zum Schrecken aller alles von vorne an. Das brillante Vierpersonenstück bietet also reichlich Stoff zum vergnüglichen Spiel in aller nur denkbaren Bosheit, ein Zuckerlecken für die Personage, aus zwei Profis und zwei Amateuren bestehend.

Inszeniert ist das sarkastische Vergnügen auf einer extra gebauten Vorbühne (Dirk Seesemann) als kraftvoll-makabere Farce mit Breaks, Reprisen, szenischen Einlagen und textfremden Zutaten, was immer gut ist. Der Inszenierungsstil hängt dem alten Brecht an, Kraft und Ideen gehen hin und wieder auf Kosten der Figurensubstanz, Grenze ist die Klamotte.

Langer Beifall, etliche Vorhänge, zuletzt die stehende Ovation des gesamten Publikums, ginge es noch eindrucksvoller, noch deutlicher? Gerold Paul

Vorstellungen am 6. und 7. Februar, 19.30, sowie 8. Februar um 17 Uhr, Potsdamer Straße 64

Gerold Paul

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