Potsdam-Mittelmark: Versteckspiel im Wald
Aufruhr an der Annastraße: Die Bäume sollen komplett abgeholzt werden
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Stahnsdorf - Es lässt sich streiten, ob mit 2,6 Hektar das Wäldchen an der Stahnsdorfer Annastraße ein stattlicher Forst ist. Für ein politisches Versteckspiel reicht das Ausmaß alle Male. Seit Dienstag versetzt der Vorschlag, den Wald komplett abzuholzen, die Anwohnerschaft in Aufruhr. Nur: Niemand will die Idee geäußert haben.
Der Streit um das Areal begann, als die evangelische Kirchengemeinde als Miteigentümerin der Flächen ankündigte, eine Umwandlung in Bauland anzustreben. Postum gründete sich eine Bürgerinitiative – rekrutiert vor allem aus der unmittelbaren Nachbarschaft, die für den Erhalt des Wäldchens streitet. Letztlich festgelegt wird die Zukunft des Baumbestandes im Flächennutzungsplan (FNP) der Gemeinde, dessen Entwurf gerade erstellt wird. Das Planwerk kennzeichnet, wo es Bau- oder Grünland geben soll.
Bislang entfachte sich das Für und Wider an der Idee, lediglich an der Straßenfront Häuser zu bauen. Umso überraschter war die aufmerksame Anwohnerschaft, als die FNP-Planer im Bauausschuss am vergangenen Dienstag den Plan vortrugen, das gesamte Waldstück in Bauland umzuwandeln. „Überfallartig erfolgte dieser geplante Akt der Willkür“, geißelt einen Tag später Christa Lang-Pfaff von der Bürgerinitiative „Waldviertel“ in einer Presseerklärung dieses Vorgehen. Doch niemand will dafür verantwortlich sein. Wen man auch nach der Urheberschaft des Vorschlags fragt, man erntet Erstaunen: Man sei selbst ganz überrascht vom Vorschlag des Komplett-Kahlschlags, so die Antwort unisono aus den Parlamentsfraktionen. Beinahe reflexartig zeigt SPD-Fraktionschef Dietmar Otto auf die CDU: „Die hat es befürwortet.“ Erbost zischt CDU-Ortschef Peter Weiß zurück: „Verleumdung!“ Die Verwaltung sei“s gewesen. Doch deren Chef windet sich: „Es war eine Präsentation des Planungsbüros, was machbar ist.“ Der Planer wiederum schüttelt den Kopf: Dem Sinneswandel liege eine „politische Entscheidung“ zu Grunde. Ein groteskes Versteckspiel im Annastraßenwald.
Gestern, zwei Tage später, das einheitliche Bekenntnis: Niemand habe die Absicht, das Wäldchen vollständig abzuholzen. „Eine komplette Ausweisung des Waldstücks zu Bauland trage ich nicht mit“, beteuert Bürgermeister Enser. „Wir sind lediglich für eine Randbebauung“, versichert CDU-Ortschef Peter Weiß. „Dagegen“, ist die kurze Antwort von Sozialdemokrat Otto auf die Frage, wie sich seine Fraktion zu einer vollständigen Rodung positioniere.
Warum die Aufregung bei so viel Einigkeit? Die Frage stellt sich auch die Bürgerinitiative. „Auf wessen Initiative und politischen Druck wird immer wieder der Versuch unternommen, einen im ökologischen Sinne wertvollen Wald in Bauland umzuwandeln? Wer hätte vor allen Dingen den wirtschaftlichen Vorteil?“, ist eine von mehreren Fragen, die Hans-Joachim Pfaff gestern an Bauausschuss und Bürgermeister gerichtet hat. Um gleich selbst etwas zu spekulieren: „Ist es die Stahnsdorfer Baulobby? Oder die evangelische Kirchengemeinde, die Geld braucht?“ Kirchengemeinde, Bund und Kommune sind in nahezu gleichen Teilen Eigentümer der Flächen. Bekanntlich will die Kirche den Bau eines neuen Gemeindezentrum aus dem Verkaufserlös der Waldflächen finanzieren.
Bei allen Verwirrungen und Spekulationen gibt es auch Fakten: In ihrer Stellungnahme zum FNP-Entwurf plädiert die Untere Naturschutzbehörde für den Erhalt das Waldes an der Annastraße. Die Forstbehörde indes hat die Standfestigkeit etlicher Bäume in Frage gestellt, weil sich unter ihnen die Fundamente eines Offizierscasinos des ehemaligen Kasernenstandorts befinden. So schlimm könne es nicht sein, sinniert Bauausschuss-Chef Otto, schließlich haben die Bäume sogar den Orkan „Kyrill“ überstanden. Es kommt also ganz darauf an, aus welcher politischen Ecke der Wind weht. Peter Könnicke
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