Potsdam-Mittelmark: Verwirrung um Strahlenfracht
Feuerwehr und Polizei widersprechen sich nach schwerem Unfall am Dreieck Nuthetal
- Eva Schmid
- Henry Klix
Stand:
Nuthetal / Potsdam - Verwirrung nach einem schweren Unfall am Montagabend am Autobahndreieck Nuthetal: Polizei und Feuerwehr machten gestern widersprüchliche Angaben zur Art der Ladung des Unfallwagens. Nachdem die Polizeidirektion West am Dienstag auf Nachfrage noch mündlich bestätigt hatte, dass im Kleintransporter ein Paket mit radioaktiven Medikamenten war, behauptete sie gestern das Gegenteil: In der Ladung habe sich kein Paket mit radioaktiven Stoffen befunden. Dem wiederum widersprach die Nuthetaler Feuerwehr.
Polizeisprecherin Jana Birnbaum erklärte: „Im Laderaum befanden sich mehrere Postsendungen, wobei eine Sendung einen Warnzettel aufwies.“ Dessen Aufschrift mit grünweißer Gasflasche habe auf die Gefahrstoffklasse 2 – also gefährliche Gase – hingewiesen. Indizien für eine radioaktive Fracht sah die Polizei nicht. Nuthetals Feuerwehrchef Mathias Heide widersprach: „Ein Paket mit einer grünweißen Gasflasche hat es nicht gegeben.“ Vielmehr hätten sich in dem Kleintransporter zwei bis drei Pakete mit radioaktiven Pharmastoffen befunden, die entsprechend gekennzeichnet waren. „Es handelte sich um Betastrahler, vermutlich um Kontrastmittel in geringen Mengen, die nur im Zentimeterbereich wirksam sind“, sagte Heide den PNN.
Geöffnet habe man die Pakete nicht. Einig waren sich Polizei und Feuerwehr immerhin, dass für die geringfügig gefährliche Ladung keine spezielle Kennzeichnungspflicht an der Karosserie des Versandfahrzeugs bestand. Gefahrgutschilder in der demolierten Kabine hatten Irritationen ausgelöst. Doch „ein Verstoß gegen die bestehenden Vorschriften wurde nicht festgestellt“, so Polizeisprecherin Birnbaum. „In dem Fall lag der strahlende Inhalt unterhalb der Freimenge“, so auch Mathias Heide. „Es bestand zu keiner Zeit irgendeine Gefahr für am Einsatz Beteiligte oder die Bevölkerung.“
Gefahrgutexperte Andreas Schöbel von der Akademie für Transport und Verkehr in Cottbus bestätigte, dass unter den Hunderten radioaktiver Gefahrstoffe einige weniger gefährliche seien, für die die Transportunternehmen nicht zur Kennzeichnung an Heck und Front mit dem geflügelten Strahlenwarnzeichen verpflichtet sind. Der genaue Inhalt müsse nur auf der Verpackung sichtbar sein, die Vorschriften für Schutzverpackungen würden für alle radioaktiven Stoffe gelten.
Bei dem Unfall am Montag gegen 21 Uhr war der Fahrer des Kleintransporters auf einen Sattelzug aufgefahren, er wurde schwer verletzt. Während die Fahrerkabine zerstört wurde, blieb der Ladebereich des Transporters verschont. „Bei unserem Einsatz ging es zuerst darum, den Mann aus dem Wagen zu holen“, sagte Gemeindewehrführer Heide. Danach hätte man sich um die Ladung gekümmert und die Kennzeichnung gesehen. „Es gab keine Beschädigungen und keine Rauchentwicklung“, so Heide. Das Fahrzeug sei auch „stromlos“ gewesen, betonte er mit Bezug auf einen zweiten Einsatz nach der Bergung des Fahrzeugs.
Wie berichtet war wenige Stunden später die Potsdamer Feuerwehr zu einem Abschlepphof im Industriegebiet gerufen worden, weil die Batterie des Unfallfahrzeuges nicht abgeklemmt war und ein Feuer möglich schien. Die Stadt Potsdam hatte der Darstellung am Dienstag widersprochen. Gestern bestätigte Rathaussprecher Jan Brunzlow, dass es den Einsatz gegeben hat. „Die Feuerwehr wollte da aber nichts verschleiern.“
Vielmehr sei der Einsatz nicht über die Potsdamer, sondern die Brandenburger Leitstelle ausgelöst worden. Den Zusammenhang zum Autobahnunfall habe man in Potsdam bei der Presseanfrage am Dienstag nicht gleich erkannt. „Da sollte nur jemand kommen und die Batterie abklemmen, weil Blitze rausgeschossen sind“, so Brunzlow. „Das war ein ganz normaler Einsatz.“ Später wurde die Fracht von der Versandfirma abgeholt.
Radioaktive Medikamente werden von Nuklearmedizinern bei vielen Untersuchungen innerer Organe genutzt. „Auch Schilddrüsenerkrankungen bekämpfen wir damit“, so Ingo Brink, Chefarzt der Klinik für Nuklearmedizin am Potsdamer Bergmann-Klinikum. Die Strahlung sei generell niedrig mit geringer Halbwertszeit. Dennoch gelten hohe Standards bei Anlieferung und Umgang. „Die Expositionszeiten zu kennen, ist äußerst wichtig.“
Im Klinikum werden solche Medikamente im Strahlenschutzbereich aufbewahrt. Angeliefert würden sie in verplombten, hitzebeständigen Verpackungen. Sollte ein Behälter auf den Boden fallen und brechen, werde der kontaminierte Raum gesperrt und mit einer speziellen Seife gesäubert, bis die Werte wieder unterhalb des Grenzbereichs seien, so Brink.
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