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Artgerechte Rinderhaltung wie auf dem Foto will gelernt sein. Doch den Tieren in Geltow soll es schlecht ergangen sein. Ein Jungrind wurde stranguliert.

© Archiv/Andreas Klaer

Potsdam-Mittelmark: Veterinäramt transportiert Rinder ab

IG Geltow spricht nach Zwangsmaßnahme gegen Landwirt von Schikane, doch danach sieht es nicht aus

Stand:

Schwielowsee - Sie hatten zu wenig Futter und Wasser, keinen richtigen Zaun um die Weide und Gesundheitsnachweise fehlten. Am Donnerstag hat das Veterinäramt die Konsequenzen gezogen und 59 Rinder von Ralf-Peter Behm vom Geltower Ortsrand auf einen norddeutschen Agrarhof abtransportieren lassen. „Auflagen der Veterinärbehörde wurden trotz wiederholter Aufforderung vom Halter missachtet“, sagte der Sprecher des Landratsamtes Kai-Uwe Schwinzert. Längere Zeit habe Behm gegen Tierschutz- und tierseuchenrechtliche Bestimmungen verstoßen und sein Verhalten trotz Buß- und Zwangsgeldverfahren nicht abgestellt. Polizei und das Ordnungsamt der Gemeinde Schwielowsee hätten den Abtransport unterstützt, er sei ohne Zwischenfälle verlaufen.

Die „Interessengemeinschaft Erholungsort Geltow“ sprach gestern in einer Pressemitteilung von „Schikane gegen einen aufmüpfigen Landwirt“. Sie bezog sich auf den Rechtsstreit, den Ralf-Peter Behm und drei andere Geltower gegen die Recyclingfirma Richter führen, weil deren Zufahrtstraße angeblich über privaten Grund und Boden führt (PNN berichteten). Die Interessengemeinschaft unterstützt die Kläger, ein Urteil des Landgerichtes wird demnächst erwartet. Behm opponiert, weil eine Schleppkurve der Zufahrt seine Landwirtschaftsfläche schneidet. Die Ecke zu verkaufen, weigert er sich – auch um die geplante Erweiterung des Abfallbetriebes zu verhindern.

„Nachdem der Bauer das Zuckerbrot in Form einer erheblichen Geldsumme ausgeschlagen hat, kommt anscheinend nun die Peitsche zum Einsatz“, sagte Friedhelm Schmitz-Jersch. Der frühere Umweltstaatssekretär ist Mitglied der IG. Am Tag des Abtransports der Kühe hatte die Initiative einen Termin mit TV-Reportern des RBB, die über den Streit über die Schleppkurve berichten wollten. „Entsetzt“ habe man beobachtet, wie sich der Leiter des Schwielowseer Ordnungsamtes Karsten Gericke im Bereich der Schleppkurve vertraut mit dem Geschäftsführer der Firma Richter unterhalten habe. An genau dieser Stelle habe Gericke die Straßensperre für die Zwangsmaßnahme gegen den Landwirt errichtet.

Dazu Schmitz-Jersch: „Sinnfälliger kann die Verbindung zwischen Gemeinde und Firma Richter nicht deutlich werden. Jahrelang werden Rechtsverstöße des Abfallbetriebes geduldet, gegen den Landwirt hingegen wird offensichtlich mit der vollen Härte des Gesetzes vorgegangen.“

Nach Angaben der Interessengemeinschaft sollten die Rinder ohnehin am kommenden Tag vom Rinderzuchtverband Groß Kreutz übernommen werden, das Rathaus und das Veterinäramt hätten davon gewusst. „Es handelte sich um gesunde Tiere, der unbedenkliche tierärztliche Befund lag vor. Ansonsten hätte der Rinderzuchtverband diese nicht aufgekauft“, so IG-Sprecherin Eleonore Müller gegenüber den PNN. Schwielowsees Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) widersprach und stellte sich gestern schützend vor ihre Verwaltung.

„Es ist hanebüchen, was die Interessengemeinschaft Geltow für Verquickungen unterstellt“, so Hoppe. Seit Jahren würden die Tiere schlecht gehalten, habe Landwirt Behm Versprechen gemacht und dann nicht umgesetzt. Vom Termin der Zwangsmaßnahme habe die Gemeinde gar nichts gewusst. „Wir wurden vom Veterinäramt am Donnerstagmorgen um Amtshilfe gebeten. Mehr will ich dazu nicht sagen“, so Hoppe.

Der Abtransport der Rinder geht nach PNN-Informationen auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg vom 5. Februar zurück, der den PNN vorliegt. Ralf-Peter Behm hatte sich beschwert, nachdem ihm das Potsdamer Verwaltungsgericht das Halten und Betreuen landwirtschaftlicher Nutztiere untersagt und die Auflösung seines Tierbestandes angeordnet hatte, doch das Oberverwaltungsgericht bestätigte das Urteil. Bei acht Kontrollen der Amtstierärzte im vorigen Jahr seien erhebliche Mängel festgestellt worden, wie es im OVG-Beschluss heißt. Einmal hatte eine Ärztin beobachtet, wie ein Jungrind aus einem Wassertrog befreit werden sollte und dabei stranguliert wurde. Ein Traktor sollte das Tier mit dem Strick um den Hals hinausziehen.

Die Amtstierärztin sei zu Recht davon ausgegangen, dass der Landwirt seinen Tieren „erhebliche oder länger anhaltende Leiden“ im Sinne des Tierschutzgesetzes zugefügt hat, befanden die OVG-Richter. Die Rinder hätten nicht genug Platz und trockene Flächen, um sich ablegen zu können. Die Wasserversorgung sei nicht ausreichend und die Weideflächen würden Verletzungsgefahren durch Gräben, Unrat und verottende Maschinen bergen. Außerdem sei es dem Landwirt seit Jahren nicht gelungen, seine Koppeln ausreichend einzuzäunen. Die Tiere liefen wiederholt durch den Ort. Auch die Hühnerhaltung Behms wurde vom Gericht beanstandet.

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