KulTOUR: Vision mit goldener Taube
Eine Ausstellung im Kleinmachnower Rathaus erinnert an den Maler Daoud Salman Anad
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Kleinmachnow - Daoud Salman Anad, der Maler aus dem Irak, stand nicht so sehr in der Aufmerksamkeit der Medien. In Michendorf oder am Rande der Stadt schuf er an seinem Werk, einem bedeutenden. Er ist im März vergangenen Jahres in Potsdam verstorben. Ihm und seiner Kunst widmet das Rathaus Kleinmachnow jetzt im Foyer eine wundervolle Retrospektive.
Sie umfasst Gemälde, Grafik sowie Keramik des 1948 in Bagdad geborenen Künstlers, seit 1997 Staatsbürger Deutschlands. Seine Heimat samt ihrer archaischen Geschichte brachte er in seinem Innern mit, hielt sie in Ehren. Einmal befragt, warum er ab und zu den kubistischen Stil Picassos nachahme, antwortet er nicht ohne Stolz, er habe „von uns“ abgekupfert, von den alten Sumerern. Man kann ja die beiden Versionen „Drei Musikanten“ von Anad und Picasso hier vergleichen. Das ausgestellte Werk ist technisch anspruchsvoll, sehr persönlich und trotzdem recht zeitfern, wie eben Sumer - also ganz dicht dran an der Gegenwart.
Da ist zum Beispiel die sitzende „Frau mit Spiegel“ von 1997. Eine Hälfte ihres Gesichts hat die Form eines spitzschnabeligen Vogels oder einer Maske, sie ist also nicht vollständig zu erkennen, sondern nur halb. Über dem Spiegel ein Halbmond. Frauen nehmen in dieser sorgfältig ausgewählten und gestalteten Schau ohnehin eine prädestinierte Stellung ein. Vor kobalt-blauem Hintergrund begegnet man einer „Wartenden“ nah bei einem Sechsstern, ihr Medium kann Luft sein, auch Wasser. Auf einer Grafik findet man eine „Ruhende“. Mit steif angelegten Armen wirkt sie wie eine Mumie, Betende. Eine „Frau mit Kämpfer“, weitere sind mit Tauben zu sehen, mit Schatten – bis zu einer ganz starken, die Stierhörner trägt.
In raffiniert-bedrückenden Arrangements bildet Anad in einem zweiten Themenkreis Einsamkeit und Sehnsüchte ab, so die schattenhafte Heimkehr der Sumerer, oder die Rückkehr über einen schier unüberwindlichen Abgrund. Eine weitere Themengruppe beschreibt sein Verhältnis zum ehemals christlichen Kulturkreis Europas. Er malt sein Bild einer Auferstehung, die Vision mit goldener Taube, einen Friedensengel, der nicht wohlfeil ist! Anderswo hat einer seinen Kopf schon im Himmel. Oft ist der Sechsstern dabei. Und dann dieser Deutschen Ordens in fahlen Farben als Dreiheit, ein großartiges Bild im Vorraum zum Saal.
Auch seine grafischen Arbeiten sind sehenswert. Die Potsdam-Motive scheinen pekuniären Zielen zu dienen, andere zeigen Anads verstörenden Blick auf eine Szenerie, gleich ob orientalisch oder hiesig, öffentlich oder privat.
Schön lasierte Keramiken findet man in den beiden Glasvitrinen, auch hier geht es ziemlich sumerisch zu, wenn beispielsweise ein kleines Gefäß zwei Geister entlässt, genau wie bei Aladins Wunderlampe. Schade, dass viele einfach daran vorbeigehen.
Ein Werk, aus dem man den Künstler herausliest, ein Künstler, der mit seiner Heimat auch deren tiefste Vergangenheit in sich trägt. Wie selten das heute geworden ist! Schon deshalb ist diese Retrospektive wichtig. Aus Picassos früher Zeit gibt es eine hübsche Anekdote. Bei einem Künstlerfest im Pariser Bateau Lavoir 1908 nahm Henry Rousseau den feurigen Spanier diskret zur Seite und meinte: „Wir sind die beiden größten Maler dieser Zeit, du im ägyptischen Stil und ich im modernen." Ägyptisch? Er meinte natürlich Sumer!Gerold Paul
Ausstellung im Rathaus Kleinmachnow bis zum 12. November, montags, mittwochs und donnerstags von 8 bis 18 Uhr, dienstags von 9 bis 20 , freitags von 9 bis 18 Uhr
Gerold Paul
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