Von Henry Klix: Vogtland-Brücken und Tarzannetze
Jörg Böhm baute den ersten deutschen Kletterwald – jetzt hilft er in Werder
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Werder (Havel) - Er baute den ersten Kletterwald in Deutschland, sein nunmehr fünfundreißigstes Projekt setzt der Vogtländer Jörg Böhm derzeit im Stadtpark von Werder um. Noch vor wenigen Jahren war der 51-jährige Familienvater Lokalredakteur der „Freien Presse“ im Regierungsbezirk Chemnitz. Doch nach mehreren Frankreich-Urlauben, bei denen sich Sohn und Tochter in Kletterwäldern vergnügten, schlug Böhm eine neue Laufbahn ein: An der Talsperre Pöhl baute er vor sechs Jahren seinen ersten Kletterwald – damals noch ein absolutes Novum in Deutschland. Immerhin: Für seine gigantischen Brücken war das Vogtland schon vorher bekannt.
„Die Franzosen machen am liebsten in ihrem eigenen Land Urlaub, die Freizeitindustrie ringt um Gäste und lässt sich ständig was neues einfallen“, sagt Böhm. Währenddessen hätten sich viele deutsche Urlaubsregionen lange allein auf ihre landschaftliche Schönheit verlassen. Ein Umdenken habe eingesetzt und Böhm kommt mit seinem Knowhow an. In Werder hatte ihn das Rathaus sogar gebeten, aktiv zu werden.
Anfangs wollte er den Pöhler Kletterwald nebenbei errichten und betreiben, doch bald merkte Jörg Böhm, dass die Sache mehr Zeit in Anspruch nimmt. „Schweren Herzens“ habe er seinen Beruf an den Nagel gehängt. Als der Pöhler Kletterwald stand, legten ihm Verwandte nahe, „so was“ doch auch für Rostock zu bauen. Das Rostocker Tourismusbüro sei von der Idee „hell begeistert“ gewesen, 2006 stand auch diese Anlage: Der Kletterwald in Hohe Düne ist heute einer von fünf, die Böhm selbst betreibt. Häufig sitzen nahe Verwandte mit im Boot. In Dresden ist sogar ein neuer Familienbetrieb entstanden. „Cousins und Cousinen dachten darüber nach, wegzuziehen. Jetzt haben sie eine eigene Firma.“
Von Anfang an arbeitete Böhm mit der französischen Arbre & Aventure zusammen, die schon 1993 ihre ersten Kletterwald errichtete und weltweit inzwischen 75 Anlagen gebaut hat. Über 100 Kletterelemente hat sie in ihrem Katalog, ob Netzröhren, Hängebrücken, Tarzannetze, Indianerleitern oder Schlittenkonstruktionen. Böhm wurde zum Projektentwickler für das Unternehmen und baute deutschlandweit Kletterparks für interessierte Betreiber, die die Anlagen nach dem Bau dann übernahmen.
Auch in Werder ist Böhm nur als Projektentwickler tätig. Hier werden die Eigentümer der Arbre & Aventure selbst die Wipfelpfade übernehmen. Voraussichtlich wird Böhms 25-jähriger Sohn Lennert Böhm als Geschäftsführer eingesetzt, der mittlerweile perfekt französisch spricht. Das Werderaner Projekt soll nicht nur 20 000 Gäste pro Jahr anlocken. Es wird auch als Trainingsstätte für deutsche Kletterwald-Mitarbeiter und Testobjekt für neue Kletterelemente der Franzosen benötigt, die in Werder auf ebener Erde eine Art Spielplatz bilden sollen, bevor sie sich in gefährlicheren Höhen wiederfinden. Nicht zuletzt sollen sich potenzielle Investoren inWerder über die Palette von Möglichkeiten informieren können. Sieben Parcours mit anfangs 70 Elementen sollen im Stadtpark zwischen Bühne und Parkplatz errichtet werden, zum Baumblütenfest 2010 soll alles fertig sein. Schon jetzt plant Jörg Böhm Erweiterungen wie einen „Canopy-Weg“, eine Art Naturlehrpfad in den Baumwipfeln.
Er ist nicht traurig, dass er seinen Journalistenjob an den Nagel gehängt hat, weniger Arbeit hat er deshalb allerdings nicht: 15 feste Mitarbeiter sind bei Jörg Böhm beschäftigt, in der Saison kommen 150 Honorarkräfte dazu. Jeder seiner Parks macht einen Jahresumsatz von 150 000 Euro. Böhm spricht von unternehmerischer Verantwortung – und einer angenehmen Nebenwirkung, die die Arbeit mit sich brachte: Durch die Herumkletterei habe er acht Kilo abgenommen.
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