KulTOUR: Vom Ackerdorf zur Technikstadt
Teltow - Die Zeit vergeht, sie vergeht im Fluge. Vorgestern noch war Mauerfall.
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Teltow - Die Zeit vergeht, sie vergeht im Fluge. Vorgestern noch war Mauerfall. Dann kam der Fastfood-Burger an Teltows Zeppelin-Ufer wie ein Wink des neuen Lebens, doch dieser Bau ist auch schon wieder leer, verlassene Geschichte.
Hannah Schwegel hat jene Monate um den Mauerfall in Fotodokumenten festgehalten, dem menschenleeren Restaurant jedoch einen gelbverwaschenen Kreis hinzugefügt. Kein Heiligenschein, eher eine milchige Sonne, und ein Marker für die Frage, ob die Versprechen von damals denn aufgegangen sind im schönen Schein. Nun, die ewige Vergänglichkeit spricht ihre eigene Sprache.
Schon deshalb ist die neue Ausstellung im Teltower Bürgerhaus „aller Ehren wert“, wie Bürgermeister Thomas Schmidt es gestern zur Vernissage in der Ritterstraße 10 formulierte. Teltows und des Umlands Kunst- und Künstlerwelt war aufgerufen, Eigenes zum Thema „Historische Ansichten - Von der Ackerbürgerstadt zum Technologiestandort“ beizusteuern, eine gute Idee zum 750. Stadtjubiläum. Fast 30 Bilder von rund einem Dutzend Namen waren dann quasi die Antwort. Dass man dabei auf bekannte und bereits früher ausgestellte Arbeiten trifft, ist normal, Teltow hat ja in Sachen bildende Kunst einiges zu bieten.
Was freilich bedacht und ausgewählt wurde, ist mitnichten nur Liebe zur Stadt und Lokalkolorit. Zum Beispiel die Bilder von Hans-Jürgen Brauer: Eines zeigt das Stadtzentrum im Feuerschutt des Frühlings 1945, ein zweites dieselbe Stelle als Abrisszone, weil der Sozialismus beschloss, die historische Altstadt plattzumachen. So geht es mit der Zeit dahin. Auch der Zickenplatz sieht heute anders aus, als er ihn noch gemalt hatte. Eingedenk dessen versuchte Günther Wünsche mit viel Liebe zum Detail, das Vergängliche an Teltow mit Bleistift und Feder festzuhalten. Wunderbare Miniaturen – aller Ehren wert auch für die Restauratoren der Zukunft.
So überbrückt diese Ausstellung einen Zeitraum von gut hundert Jahren, präsentiert erdachte und gefundene Stadtgeschichte in mehr oder weniger kunstvollen Bildern. Frauke Schmidt-Theilig stellt neben dem Porträt des Malers August Mattausch ein montiertes Gruppenbild um 1900 vor, bestehend aus zwei zufriedenen Bürgern und einem Buben auf der Vortreppe eines Hauses. Eines von sechs Werken, die extra für diese Ausstellung gefertigt wurden. So findet man in nur einem Raum vom fein nachempfundenen Straßenbild bis zu den Feldsteinen der Andreaskirche ungefähr alles, was Kunstliebhaber und Kulturpolitiker vor Ort erfreuen dürfte, den modernen Ackerbürger sowieso. Was historisch ist, ist meistens ziemlich ungefährlich, und trotzdem irgendwie aktuell, wie etwa Bernd Blumrichs Schwarzweiß-Fotos vom Neubau des GRW-Gebäudes 1977, oder die Bilder der Grenzöffnung im November 1989 mit selig lächelnden Gesichtern. Alles paletti in Teltow, Kritikfaktor null! Alles eben, ehrenwert. Nur für Hannah Schwegel scheint diese Zeit der Versprechen eher zwielichtig zu sein. Ach Glück, ach Teltow! Gerold Paul
Gerold Paul
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