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KulTOUR: Vom Flüstern der Wände

Kleine und große Geschichten aus dem Alltag des Fährhauses am Caputher Gemünde

Stand:

Schwielowsee - Meist hört der Lauscher an der Wand ja nur „seine eigene Schand“, im Falle des Caputher Fährhaus am Gemünd freilich scheint es etwas anders zu sein. Die ortsansässige Autorin Barbara Tauber will es bezeugen. Zusammen mit der Fotografin Malou von Simson hat sie den Wänden des altehrwürdigen Hauses so manch eigenes Geheimnis abgetrotzt, von den Gründungsgeschichten weit im 19. Jahrhundert bis gestern ungefähr, zur diesjährigen Vorsaison, als „die ersten Hänger mit ihren Booten über die Fähre fahren“ und die ersten Gäste des Hauses „in Decken gehüllt im Garten oder auf der Terrasse sitzen“.

Als personifiziertes Ich erzählt dieses Haus von der Familie Bastian, Ur-Gründern der Fähre 1853 und von allen, die nach ihr kamen: Tutti und die L.s, von Kalli und Olli, den backverliebten Müllers, aber auch vom „kleinen, aber unentbehrlichen Personal“, wie etwa dem Kater Einstein, ein ganz Kluger. Das sehr ansprechend gestaltete Buch stellt sich zuerst einmal unter Sigmund Freuds These, wonach alle Vergangenheit ein imaginäres Museum sei, na gut.

Was die Autorin von den Wänden abgehört hat, gliedert sie auf zweierlei Art, einmal vertikal durch die alten und neueren Zeiten, zweitens durch alle Räume vor Ort, die alles andere als museal sind: Gastraum, Veranda, Holzgang, Backstube, Küche, Treppenhaus, Dachboden und Nebengelass. Eben alles. So kommt man hin, wo normalerweise Wände dem Gast den Zutritt verwehren. Und das ist klar: Diese flüstern natürlich auch nicht jedem ihre Geheimnisse! Insofern ist es ein ausgesprochener Glücksfall, welcher dem Leser hier geschieht.

Barbara Tauber, Lehrerin, Verlegerin, Autorin, präsentiert dem Neugierigen ein hübsches Puzzle aus Kleingeschichten sowohl politisch-weltgeschichtlicher als auch privater Natur, wobei dem Personal und der Liebe sehr viel Platz eingeräumt wird: Zur Discozeit in den Siebzigern, als die jungen Leute vom Zeltplatz gegenüber ins Fährhaus kamen, Langhaarfrisuren, karierte Hemden, bestickte Blusen, „überzeugt davon, ganz anders zu sein als die Generationen vor ihnen“.

Andere Stücke erzählen von den Fährleuten, und wie schwer die beiden Kriege am Ich-Bewusstsein des alten Gebäudes nagten. Mancher kam nicht zurück, dann hieß es: Schließung oder Neubeginn? Entsprechend ging es dem Haus mal gut, mal war es „abgewirtschaftet“, wie in den 80er-Jahren. Aber irgendwie fand sich immer ein Weg, den Gast- und Herbergsbetrieb fortzusetzen. Die letzten 30 Jahre lag er in den Händen der so fleißigen wie einfallsreichen Familie Müller, welche alte Koch- und Backkünste zu ungeahnter Blüte trieben. Sogar eine Bildergalerie gab es zu ihrer Zeit hier einmal, in der alten Markise.

Dies alles, und noch viel mehr erzählt dieses Buch mit feinem Sprachgespür. Historische Grundriss-Skizzen aus Haus, Hof und Garten sind beigefügt. Malou von Simsons Fotos ergänzen die Texte auf raffiniert unaufdringliche Art. Die beiden Autorinnen arbeiten im Tauber-Verlag schon länger zusammen. Ganz abrupt bricht diese Fährhaus-Chronik dann ab. Unvollendet – es soll ja weitergeh’n ... Oder gab es doch mehr Wandgeflüster, als man hören wollte ... ? Gerold Paul

Barbara Tauber,

Malou von Simson (Fotos): Wandgeflüster. Erschienen im Barbara Tauber Verlag, Taschenbuch, 118 Seiten, 16 Euro.

Gerold Paul

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