Potsdam-Mittelmark: Vom Kelch zum Kelchblatt
Kandidaten für den Blütenthron absolvierten souverän die Prüfungstour durch Werders Plantagen
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Werder (Havel) - „Ratzsch-Tschatscha“ scheppert es über die Obstplantagen am Panoramaweg, als würden sich Schlagzeug-Becken auf ein Konzert einstimmen. Es sind Druckluftscheren, die an langen Schläuchen hängen. Eine ganze Gärtnerkolonne marschierte am Samstag mit ihren lautstarken Werkzeugen durch die Obstbaumreihen, um den Bäumen den richtigen Frühjahrsschnitt zu verpassen.
Um Gehölzschnitt ging es auch bei der Prüfungstour durch Werders Obst- und Weinflur, die die beiden Anwärterinnen für das Amt der Baumblütenkönigin am Samstag absolvierten. Für die Scheren gibt es mehrere Antriebswege: Statt einer Luftschere ließ Obstbauer Frank Wache auf seiner Plantage den brummigen Bass eines Benzinmotors aufheulen. Auch Schnittwerkzeuge mit Akkus führte er vor, gestand aber ein: „Nach vier Stunden Arbeit mit diesen Geräten brauch ich nicht mehr ins Fitness-Studio.“
Respektvoll hievten die beiden Kandidatinnen, Karola Schulz und Sophie Jacobs, eine Teleskopschere ins Geäst eines Kirschbaumes. Zuvor hatten beide mehrere Fragen zum Pflichtwissen beantworten müssen. Dazu gehörte das Erkennen von Zweigen, an denen teilweise schon erste Knospen zu sehen waren. An einem grünten bereits Blättchen und am stachligen Stiel wurde sogleich der Himbeerzweig erkannt. Auch die anderen Gehölze ordneten Karola Schulz und Sophie Jacobs richtig ein, wofür die Juroren dem Duo großes Lob zollten.
Kniffelig wurde es bei einer Zusatzfrage, die sich Heiko Wels ausgedacht hatte, es ging um den Aufbau einer Blüte. „Ich wollte es etwas schwerer machen“, meinte Wels, die beiden Kandidatinnen bewerben sich schließlich schon zum zweiten Mal um das hohe Amt und kannten schon Teile der Prüfung. Acht von neun Blütenmerkmalen fanden beide schließlich heraus, beim Kelchblatt baute Frank Wache eine Brücke und verwies auf den Beginn der Prüfung, einer Weinprobe auf dem Wachtelberg. „Das henkellose Glas, aus dem ihr getrunken habt, ist Teil des Namens.“
Doch nicht nur die Prüfer stellten Fragen, auch die jungen Damen waren wissbegierig und erfuhren so, dass die langen Stiele der Kirschen nicht nur vorteilhaft bei der Ernte sind. Lange Stiele, so Frank Wache, sorgen für Bewegung der Kirschen am Baum. Dabei perle auch Regen besser ab, was verhindere, dass die Früchte platzen. Kurios seine Schilderung, wie die Vögel abgewehrt werden. Über Lautsprecher wird den gefiederten Kirschräubern akustisch eingeheizt. „Die werden dadurch verwirrt, allerdings muss ich nach zwei Wochen die Musik wechseln, da die Vögel die List nach einiger Zeit durchschauen.“
Neben den fachlichen Kenntnissen im Obstbau ist für die Bewerberinnen die Heimatkunde wichtig, beispielsweise wie die alten Werderschen einst lebten. Hauptsächlich vom Fischfang und vom Weinbau, dass wussten die beiden Prüflinge bereits. Bei Manfred Lindicke, dem Pächter des Wachtelberges, erfuhren sie auch, dass ein Drittel der Brandenburger Reben in Werder angebaut werden. Der leichte Perlwein, Marke Amelie, mundete dem Duo, das auf der über sechsstündigen Tour eine Ahnung davon bekam, dass eine Baumblütenkönigin auch Durchhaltevermögen mitbringen muss. Wer von beiden die Krone tragen wird, wird zum Baumblütenball am 27. April bekannt gegeben. Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
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