KulTOUR: Ein Abend zu Günter Eich und Peter Huchel: Vom Leben und Schreiben der Maulwürfe
Maulwürfe sind oftmals Tiere, aber nicht nur. Man trifft sie als Sinnbild auch unter den heimlichen Spähern und natürlich bei den Poeten.
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Maulwürfe sind oftmals Tiere, aber nicht nur. Man trifft sie als Sinnbild auch unter den heimlichen Spähern und natürlich bei den Poeten. Günter Eich und Peter Huchel waren zwei, die sich dieses Topos oft und gerne bedienten. Wie sie in Krieg und Nachkrieg zueinander standen, erfuhr der neugierige Besucher bei der Auftaktveranstaltung des Peter-Huchel-Hauses am Dienstagabend in Wilhelmshorst. Im 20. Jahr seines Bestehens hat sich die Mannschaft um Lutz Seiler ja ohnehin viel vorgenommen: Veranstaltungen mit verstärktem Huchel-Bezug, Präsentation der aktuellen Huchel-Rezeption, ein Extra zur Zeitschrift „Sinn und Form“, dessen erster Chefredakteur Peter Huchel war. Im Spätsommer dann ein Gartenfest zum Jahresjubiläum, Herta Müller daselbst wird kommen. Gut und schön, aber was hat das alles mit Maulwürfen zu tun? Ganz einfach, sowohl Günter Eich (1907–1972) als auch Peter Huchel (1903–1981) benutzten diesen Topos, um klarzustellen, dass Dichtung und Poesie auch etwas ist, was man gleichsam „mit dem Maule wirft“ in Welt und Leben. Eich, Mitbegründer der „Gruppe 47“ und mit Huchel irgendwie befreundet, veröffentlichte 1968 unter diesem Titel sogar Prosatexte. Drei Eingeweihte standen am Dienstag im voll besetzten Raum zum Gespräch bereit: Hans Dieter Zimmermann, der beide Dichter und viele andere persönlich kannte, Peter Walther vom Brandenburgischen Literaturbüro und nicht zuletzt Roland Berbig, Autor der fast noch druckfrischen Biografie „Am Rande der Welt. Günter Eich in Geisenhausen“.
Man war sich bald einig, dass Eich und Huchel zwar wesensverwandte Poeten waren, sonst aber eher gegensätzlicher Natur. Sie lernten sich 1935 kennen, verfassten in dieser Zeit beide Hörspiele für den Rundfunk, lebten danach aber in Ost oder West, was 1954 zu einer Beinahe-Prügelei führte. Eich verstand nicht, warum Huchel „bei den Stalinisten“ blieb und Huldigungen an Pieck und Stalin schrieb. 1965 trafen sie sich ein letztes Mal. Auch sonst waren sie sehr verschieden, der eine zögerlich und introvertiert, der Wilhelmshorster dem politisch-gesellschaftlichen Leben zugewandt. Eich glaubte, den „Forderungen der Literatur“ nicht genügen zu können. Seine Antwort auf den Büchner-Preis 1959 druckte das große Blatt vom Main nicht nach. Von ihm stammte, aus dem Hörspielzyklus „Träume“, der Ruf an die Dichter: „Seid unbequem, seid Sand, nicht Öl, im Getriebe der Welt.“ Das gilt auch heute.
Man erfuhr viele Details und schöne Geschichten, mehr über Eich als von Huchel. Zwei Dinge aber zeichneten diesen spannenden Abend besonders aus: Zum einen der Versuch, wegzukommen von den strengen Regeln der Akademien, hin zum Leben mit seinen Geschichten und seinem dichterischen Ausdruck. Zweitens bei der historisch gerechten Einschätzung solcher Biografien. Wie oft richtet Gegenwart über die Vergangenheit neunmalklug! Wenn diese beiden „Maulwürfe“ im Dritten Reich keine richtigen Antifaschisten waren, ihrem Broterwerb nachgingen, Eich sogar einen Aufnahmeantrag an die Partei stellte, sollte man das auch so stehen lassen, statt sich darob zu empören, so die Meinung. Wie sagte Hans Dieter Zimmermann: „Wir dürfen sie nicht dorthin bringen, wo wir sie uns hinwünschen.“ Ein weiser Satz, eine richtig gute Veranstaltung, klug und lebendig. Hoffentlich hält das. G. Paul
G. Paul
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