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KulTOUR: Vom rechten Augenblick

Die Künstlergruppe „Art Event“ hält auch in diesem Jahr, was ihr Name verspricht

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Stahnsdorf - Die Künstlergruppe Art Event hält auch in diesem Jahr, was ihr Name verspricht. Jede Menge „Art“ im einstigen Armenhaus Stahnsdorf, „Event“ als Gemeinschafts- und Gesamtkunstwerk. „Kairos“, nach altgriechischer Lesart der oberste Herr des rechten Moments, ist diesmal der Namenspatron des Ereignisses. Das kann alles bedeuten: Geburt und Sterben, die Sekunde oder ein Tag, die plötzliche Inspiration von Kunst, das Betrachten, nicht zuletzt diese Ausstellung in Haus, Hof und Garten selbst. Denn bald wird das alte Gebäude, dass für die diesjährige Ausstellung ausgewählt wurde, saniert, dann ist es mit dieser Art schon wieder vorbei.

Von einer Neujahrspredigt angeregt, schufen die 14 Künstlerinnen und Künstler fünf Tage lang nicht für die Ewigkeit, sondern absichtsvoll flüchtig – erste Tugend dieses „Event“. Die zweite zeigt sich in existentiell-philosophischer Art, alles hat ja mit „Zeit“ zu tun, die es gibt oder nicht. Sie zu erkennen, wird man nur heute und morgen gerufen.

So findet man im Vorderhaus ein programmatisches Bild dieses „Kairos“ von Jessi Kobek. Scheinbar abstrakt, will es nach Art eines Still-Lebens jenen Augenblick fassen, wo aus einem Ei Leben wird. Neben einer Fotoserie sich schminkender Schauspielerinnen aus Japan hat Michael M. Heyers auch diesmal wieder eine Skulptur aus Holz und Eisen geschaffen, die Silhouette eines „Schattenmannes“. Sehr eindrucksvoll der kleine Raum von Damaris Watt, eine blaue Linie in scheinbar ungeordneter Bahn an den Wänden, unscharfe Fotos, ein tropfender Wasserhahn, Dominosteine für das Prinzip Zufall. Hier ist zu erleben, wie sie unter dem Kairos-Aspekt das aus Guatemala mitgebrachte Dengue-Fieber verarbeitet hat, der Strich beschreibt den Weg der Mücke.

Genauso eindrucksvoll die Arbeit von Beate Lein-Kunz: In ihrem Mini-Raum lebte eine Frau mit zwei Kindern. Sie gestaltete diese fast verklärte Figur in Ton, gab ihr eine Spindel in die Hand, hüllte den Boden mit Rasen, darauf eine weiße Kette die Augenblicke ihres Seins nachzeichnen. Das Dorfidyll daneben (Julia Ehrt) soll man erforschen.

Steffen Trodler nimmt die Sache gehobener. Ein Zitat des Philosophen Wilhelm Schmid als Schrift auf dem abgeklebten Spiegel. Unschärfe. Nur am Goldenen Schnitt, in der Senkrechten, kann man es vollständig lesen – und erkennt dabei sein Konterfei. Im Keller sein Ort für den gekrümmten Raum mit einer Uhr ohne Ziffern und Stunde, viel Klugheit steckt hier im Spinnweb. Davor hat Frauke Schmidt-Theilig sich eine Galerie erschaffen, Wandbilder mit den Temperamenten des Augenblicks, die Scheuerleisten voller Zitate, stehende Scheiben als Hommage an Emilio Vedova, toll, bis zum Loch in der Scheibe!

Anregend und klug auch, was sich im Hof dem Betrachter bietet. Ein Raum voll hängender „Gewölle“ aus Filz im Schuppen, neben der Fotografie die Spezialität von Petra Walter-Moll. Wie Kokons stellen sie den Augenblick (Anfang oder Ende) dar, fürchten Sie sich? Anke Mühlig hat sechzig Augen-Blicke gesammelt. Vom Winde bewegt, erzählen sie ihre Geschichten im Nu, man schaue nur die Pupillen. Vieles andere noch.

Es gibt nur den rechten Augenblick, hörte man sagen, sonst keinen. Wo einst die Armen wohnten, kehrt Reichtum ein. Reichtum an Kunst – doch nur für einen Moment, Kompliment diesem Tun!

Vernissage heute 15 Uhr in der Lindenstraße 15, Sonntag 12 bis 18 Uhr

Gerold Paul

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