Potsdam-Mittelmark: Vom Schwielowsee in die Antarktis
Sechs Männer wollen in einem Ruderboot Rettungsaktion von 1903 nachstellen / Bootstaufe in Geltow
Stand:
Schwielowsee - „Es geht leicht durchs Wasser“, lobte Kathrin Boron das Walfangboot, das am Samstag auf dem Schwielowsee zu Wasser gelassen wurde. Die einstige Weltklasse-Ruderin brauchte sich aber nicht in die Riemen des neun Meter langen Bootes zu legen, statt dessen zog die sechsköpfige Crew von Henryk Wolski die Ruder durchs Wasser. Der Pole will im November diesen Jahres eine deutsch-polnische Südpolarexpedition starten, knapp 100 Jahre nachdem 1903 dem norwegischen Kapitän Carl Anton Larsen eine Rettungsaktion durch raue See und Eis glückte, nachdem sein Schiff gesunken war. Bis zu seinem Einsatz rastet das Boot an einem Liegeplatz am Schwielowsee.
In fast auswegloser Situation legte Larsen mit seiner Mannschaft über 100 Seemeilen von Paulet Island nach Snow Hill Island in einem offenen Walboot zurück. Ein originalgetreuer Nachbau ist das Boot, das nun von Boron und dem Abenteurer Arved Fuchs auf den Namen „Fuegia“ getauft wurde. Trotz der bekannten Seetüchtigkeit klassischer Walboote verlief die Taufe ein bisschen „wackelig“, wie auch einige der rund 200 Zuschauer am Ufer bemerkten, weshalb an Bord sehr behutsam mit Sektgläsern angestoßen wurde. Nach der anfänglichen „Schaukeltaufe“ sorgten dann aber die ersten Ruderschläge dafür, dass das Boot gut im Wasser lag. Geradezu euphorisch schwärmte Wilfried Korth nach der ersten Rundfahrt, wie leicht und wendig die „Fuegia“ durchs Wasser komme. Er weiß allerdings, dass der Schwielowsee nicht mit dem stürmischen Eismeer vergleichbar ist und die Crew am Südpol auf die eigene Muskelkraft und ein kleines Gaffelsegel angewiesen ist. Da aber der Bootsbauer Janusz Kowal auch an der Tour teilnehme, vertraue er darauf, dass die Konstruktion den nautischen Herausforderungen gewachsen sei.
Kowal, der auf seiner Werft in Murowaniec bei Bydgoszcz auch Kreuzer- und Regattaschiffe baut, wählte als Material ein schnellwachsendes Tropenholz: Samba. Das ist das einzige Holz, das man komplett mit Harz tränken kann, was dem Material Stabilität verleihe. Zudem sei es äußerlich mit Glasfasermatten beklebt worden, berichtete Korth. „Falls doch Wellen reinschlagen, müssen wir das Wasser eben mit Eimern ausschöpfen.“ Anders als die Mannschaft von Larsen, die Probleme mit nassen Wollsachen hatte, sei die Crew nun mit spezieller wasserdichter Kleidung ausgerüstet. Auch wenn sie die gleiche Route fahren würden, so Korth, „auf Augenhöhe können wir uns mit Larsen und seiner Mannschaft nicht messen“. Denn begleitet wird das Boot noch von der Yacht „Nashachat“", die von Ushuaia Kurs auf den südlichen Kontinent nimmt. Außerdem ist die „Fuegia“-Crew mit Satellitentelefon und modernen Navigationsgeräten ausgerüstet, wenn sie im November ins Wedellmeer startet. Bereits durchgeplant ist auch der Proviant pro Tag: 4100 Kilokalorien je Person. Gekocht wird aber nicht an Bord, sondern in Zelten, die am Abend an Land aufgebaut werden.
Wolski und Korth verfügen beide über langjährige Expeditionserfahrungen, vor allem in polaren Gebieten. Auch die anderen Crewmitglieder sind erfahrene Segler oder Polarforscher. Doch nicht nur an die beeindruckende menschliche und seemännische Leistung vor über 100 Jahren soll mit der Expedition erinnert werden. Es geht auch um wichtige Erkenntnise des Klimawandels. So will Korth, dessen Fachgebiete Glazialgeodäsie und Geodynamik sind, auf Snow Hill Island mit einer Gruppe von Wissenschaftlern die Messungen der ersten deutschen Südpolarexpedition von 1902 wiederholen. Damit soll festgestellt werden, wie sich die Masse antarktischer Gletscher verändert hat. Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: