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Potsdam-Mittelmark: Von Apothekern und Hufschmieden

Vergessen geglaubte Spuren der Teltower Stadtgeschichte wurden jetzt wieder ausgegraben

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Teltow - Gerüchtehalber sollen sogar die Russen mit einem Panzer nachgeholfen haben. „Das kann aber eigentlich gar nicht stimmen“, sagt der Stadthistoriker Frank-Jürgen Seider und winkt ab. Fest steht: Über Nacht war Teltows erste Apotheke in den 1970er-Jahren plötzlich verschwunden. Und kaum jemand dachte seitdem noch über das Haus nach. Über Jahre klaffte gegenüber vom Rathaus eine Lücke, die von Autofahrern als Parkplatz genutzt wurde und von Feiernden als Festplatz. Doch jetzt sind Teile der einst stuckverzierten, königlichen Apotheke bei Ausgrabungen auf dem Eckgrundstück an der Bäckerstraße wieder aufgetaucht – und nicht nur das.

Im Zuge der Vorbereitungen für den Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses am Teltower Marktplatz sind bei archäologischen Untersuchungen einige der bislang ältesten Funde der Teltower Stadtgeschichte gemacht worden. Feldsteinfundamente, Ruß- und Schuttschichten, Keramikscherben, Tonpfeifen, ein alter Mühlstein, Tierknochen und Reste von Schmiedeschlacke zeugen von der Geschichte vor dem Bau der einst ersten Apotheke der Stadt. Die Funde erzählen von schwitzenden Pferden und hämmernden Schmieden, von verheerenden Stadtbränden, Tierschlachtungen und den ersten Siedlern, die in dem Feuchtgebiet rund um den heutigen Teltowkanal in den Jahren 800 bis 500 vor Christi lebten – der frühen Eisenzeit.

Bereits seit März haben sich die Archäologen des Berliner Büros BNB dazu durch den Boden auf dem Grundstück an der Ecke Bäcker- und Breite Straße gewühlt und ihre Funde freigelegt. „Wir haben alles für die Nachwelt dokumentiert“, sagt Grabungsleiter André Langer. Von der Oberkante des Bodens bis in eine Tiefe von etwa zwei Metern arbeiteten sich die Frauen und Männer wie bei einer Zeitreise in die Vergangenheit.

Die war bislang auf dem Papier lediglich bis ins Jahr 1754 dokumentiert, sagt Historiker Seider. Damals hatte ein Huf- und Waffenschmied das Grundstück an der Ecke gegenüber der heutigen Bäckerei Neuendorff erworben und dort auch gearbeitet – bis ein Brand im Jahr 1801 große Teile der heutigen Teltower Altstadt zerstörte. Davon war auch die zur Breiten Straße hingewandte Schmiede samt der Stallungen, dem Kohlelager und anderen Anbauten an der Bäckerstraße betroffen, sagt Seider. Er hat die Geschichte des Eckgrundstücks und etlicher anderer Bauten der Altstadt im „Häuserbuch der Stadt Teltow“ dargelegt.

Demnach eröffnete im Jahr 1814 der damalige Teltower Bürgermeister und Apotheker Johann George Ehrlich die Apotheke auf dem Grundstück am Marktplatz. „Das war damals ein königliches Privileg“, sagt Seider. Nachzulesen war das bis zum Abriss des Hauses auch auf einem Schriftzug über dem stuckverzierten Eingangsportal. Vermutlich sei das dem Haus in den 70er-Jahren zum Verhängnis geworden, sagt Seider. Er vermutet, dass sich die Stadtpolitiker zu DDR-Zeiten an dem königlichen Schriftzug störten. „Einzelheiten sind aber unklar.“ Plötzlich war das klassizistisch geschmückte Haus jedenfalls abgerissen – ob mithilfe von Panzern oder ohne.

Teile des Portals wurden nun von den Archäologen wiedergefunden, auch alte Fläschchen und Tiegel der Apothekergenerationen, die darin arbeiteten, sagt Grabungsleiter Langer. Die Funde könnten künftig neben den auch ausgegrabenen und deutlich älteren Zeugnissen der Stadtgeschichte im Heimatmuseum ausgestellt werden. Andere Stücke werden zum Landesdenkmalamt gebracht.

Seit die Archäologen in der Altstadt graben, fegen und dokumentieren, wurden sie schon oft von Alteingesessenen angesprochen, sagt Langer. Es sei eine Baustelle mit Anziehungskraft. „Hobby-Archivare haben uns Fotos gebracht und Geschichten erzählt. Es war auch für uns spannend, zu sehen, was auf diesem Grundstück alles zu finden war.“ Wie in einem Geschichtsbuch hätten die Archäologen anhand der Schuttschichten im Boden die Historie der Stadt nachlesen können – der Stadtbrand etwa lässt sich an einem dicken schwarzen Streifen über den noch älteren alten Feldsteinfundamenten erkennen.

Bereits ab Montag sollen die historischen Fundamente wieder mit Erde bedeckt werden, sagt Langer. Dann werden Bagger mit den Arbeiten für das geplante Wohn- und Geschäftshaus beginnen, welches im Erdgeschoss ein Café beherbergen soll.

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