Potsdam-Mittelmark: Von Behinderten ganz gemacht
Im Norberthaus Michendorf öffnet Fahrradwerkstatt nach Vorbild Hermannswerder
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Im Norberthaus Michendorf öffnet Fahrradwerkstatt nach Vorbild Hermannswerder Von Henry Klix Michendorf. Ein Blinder an der Drehmaschine? Rüdiger Heise hat es mit eigenen Augen gesehen. Und man darf dem Geschäftsführer der Diakonie-Werkstätten Potsdam durchaus Glauben schenken: 260 behinderte Menschen aus Potsdam und Potsdam-Mittelmark werden in den 12 Werkstätten der gemeinnützigen GmbH, die vor allem auf Hermannswerder tätig ist, beschäftigt. Geistig Behinderte, Taubblinde, psychisch Kranke und „Rollis“ sind in der Industriemontage, dem Stuhlflechten, der Keramikwerkstatt, der Aktenvernichtung und anderen Bereichen tätig. Der Blinde an der Drehmaschine geht genauso jeden Werktag zur Arbeit wie die geistig Behinderten in der Fahrradwerkstatt. Die hat besonders gut eingeschlagen, wie der Kundenandrang zeige. Die guten Erfahrungen mit der Fahrradreparatur sollen für eine zweite Reparatureinrichtung genutzt werden. Sie ist auf dem Wolkenberg in Michendorf geplant – direkt neben dem Heimatmuseum in der alten Mühle. Wie in Hermannswerder sollen hier Fahrräder justiert, repariert, zusammengeflickt und aus schrottreifen Rädern neue zusammengepuzzelt werden (Preis: ca. 30 Euro). Den Leistungen könne durchaus vertraut werden, versichert Heise: „Wenn man manche geistig Behinderten an Shimano-Gangschaltungen stellen und schrauben sieht, an die sich mancher Ingenieur nicht heran traut, kann man sich über die Geschicklichkeit manchmal nur wundern.“ Am 8. September soll die neue Fahrradwerkstatt eröffnet werden, in der man aber auch für weniger Geld unter Anleitung sein Fahrrad selbst reparieren kann. Möglich geworden ist das Projekt durch eine Kooperationsvereinbarung der Diakonie-Werkstätten mit dem Deutschen Orden, der am Ort das St. Norberthaus betreibt, eine Einrichtung der Behindertenhilfe und Förderschule für geistig Behinderte. Sechs Beschäftigte und einen Werkstattleiter soll die Werkstatt anfangs haben, 25 Beschäftigte sollen es einmal werden. Für den Anfang hat die Diakonie 100 Quadratmeter im Haus „Johannes“ angemietet, die für 50000 Euro zur Zweirad-Bastelbude werden. Weitere Ausbaumöglichkeiten bestehen. Die Investition wird durch einen geringen Mietzins abgegolten. Auch die Behinderten-Arbeitsplätze des Norberthauses – ob in Landschaftspflege, Reinigung oder Küche – sollen künftig durch die Diakonie betreut und weiter entwickelt werden. Die Schule des Norberthauses gehört neben der Potsdamer Comenius-Schule und der Oberlinschule zu den wichtigsten Partnern der Diakonie-Werkstätten, sagt Heise. Oft entscheidet sich schon in den Gesprächen mit den Schülern und Eltern, welchen Berufsbildungsweg die Schüler einmal einschlagen und in welche Werkstatt sie danach aufgenommen werden können, bestätigt Lorett Borrmann, stellvertretende Leiterin des Norberthauses. Die Nähe der Fahrradwerkstatt könnte sich insofern als Vorteil herausstellen, meint sie – auch für jene Bewohner des Norberthauses, die auf die Nähe von Arbeits- und Wohnort angewiesen sind. Und auch mit dem Gedanken des Kontakts zwischen Behinderten und Nichtbehinderten, der durch die Werkstatt gefördert wird, kann sich Borrmann sehr gut anfreunden. Vorerst soll die Werkstatt als Außenstelle von Hermannswerder fungieren. Mit mehr als sechs Beschäftigten müsste laut Heise allerdings eine eigenständige Einheit gegründet werden. Hier stelle der Landkreis noch einige Hürden auf: Denn für die zuständigen Träger gibt es festgelegte Einzugsgebiete. Und Michendorf gehört ansich zum Einzugsgebiet des Diakonissenhauses Teltow. Heise hält solches Zuständigkeitsgerangel allerdings für fehl am Platze, zumal die Behinderten aus den Bereichen Werder, Beelitz und Michendorf niemals Potsdam links liegen lassen würden, um nach Teltow zu kommen. Denn lange Fahrten und Umsteigen sind für sie mit zusätzlichen Umständen verbunden. „Aus diesem Bereichen sind deshalb ja jetzt schon 50 Menschen bei uns beschäftigt“, so der Geschäftsführer. Wenn die sogenannte „Netzplanung“ für die Werkstätten-Träger Ende 2004 ausläuft, hofft er für die neue Einteilung auf Einsicht der Behörden. Erst dann könnten die Expansionsabsichten für Michendorf auch verwirklicht werden. Geöffnet ab 8. September montags bis freitags von 7 bis 11.30 Uhr und von 12.30 bis 15 Uhr. Zugang über Saarmunder Straße gegenüber der Bergstraße.
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