Potsdam-Mittelmark: Von der Schuldenfalle zum Techno Park
In sieben Jahren hat sich das Stahnsdorfer Gewerbegebiet zu einer attraktiven Adresse gemausert
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Stahnsdorf - Vor sieben Jahren hätte Gerhard Enser nicht lange gezögert. Wenn da jemand mit der Absicht in sein Büro gekommen wäre, im Gewerbegebiet ein Grundstück zu kaufen, hätte er rasch einen Vertrag aufsetzen lassen. Heute gibt sich der Bürgermeister gelassener. Das Logistikunternehmen, das sich für eine Fläche in dem Stahnsdorfer Gewerbegebiet interessiert, wird wohl kaum eine Chance haben. Seit das Areal unter dem Titel „Techno Park“ firmiert, gibt sich Enser wählerisch bei den Ansiedlungen. Er will Qualität.
Von Qualität war vor einem Jahrzehnt lediglich der Schuldenstand, den die Kommune angehäuft hatte. Kurz nach der Wende erschloss die Gemeinde das einstige Ackerland zum Gewerbegebiet. Als die Kommune später die 52 Hektar kaufen wollte, verlangte die damalige Treuhand, der die Flächen gehörten, nicht den Preis für Acker- sondern für Rohbauland. Stahnsdorf verschuldete sich bis auf 42 Millionen Euro, stand kurz vor der Zwangsverwaltung, ehe man sich vor exakt sieben Jahren mit der Treuhand-Nachfolgerin TLG Immobilien auf eine Nachtragsvereinbarung einigte. Der Kaufpreis wurde nachträglich reduziert.
Die Rückzahlung der aufgenommenen Kredite finanziert die Kommune inzwischen aus Flächenverkäufen im Gewerbegebiet. Den bislang größten Ansiedlungserfolg vermeldete Enser unlängst mit der Niederlassung des Sensorik-Unternehmens Endres & Hauser. Auf üppigen 33 275 Quadratmetern lässt sich der Branchenriese nieder. Damit verdoppelt sich die Bilanz der in den zurückliegenden Jahren verkauften Flächen an der Ruhlsdorfer Straße auf einen Schlag.
Auf der anderen Seite der Straße wurden 32 500 Quadratmeter vermarktet. Firmen wie die weltweit agierende „gte – Brandschutztechnik“, die Maschinenbau und Service M&S GmbH oder der Spezialmaschinenbauer „Derenda“ – beide nehmen ab Sommer die Produktion auf – besetzen eines der fünf Branchenkompetenzfelder, die in der Wirtschaftsregion Teltow einen besonderen Förderstatus des Landes genießen. In Kürze wird mit dem Sägen- und Werkzeugfabrikanten Alfra ein weiterer Vertreter dieser Sparte im Techno Park seine Produktionsstätte errichten. Metallverarbeitung, Medien und Kommunikation, Biotechnologie, Optik sowie Sensorik sind die wirtschaftlichen Säulen der Region.
Während die sozialdemokratische Opposition im Gemeindeparlament in der Vergangenheit die vermeintlich schleppende Vermarktung des Gewerbegebiets anklagt, verspürt CDU-Bürgermeister Enser CDU, „keinen Druck“. Früher hätte er auf die Aussicht, einen Gewerbesteuerzahler ins Dorf zu holen, weniger kritisch auf die Visitenkarte eines Unternehmens geguckt als er es heute tut. Inzwischen fühlt er sich dem Attribut „Techno Park“ verpflichtet, der selbst gestellte Qualitätsanspruch zahle sich aus: „Der Techno Park gewinnt immer mehr an Substanz“, freut sich der Enser, der als Bürgermeister in das letzte Jahr seiner Amtszeit geht. Knapp 35 Prozent der gemeindeeigenen Flächen im Gewerbegebiet sind noch zu vermarkten - etwa zwölf Hektar. Brach liegen auch noch 54 000 Quadratmeter, die der TLG Immobilien gehören, was rein optisch einen Leerstand suggeriert. Doch genauso, wie Enser Gespräche „mit einer ganzen Reihe“ Interessenten und potenzieller Bewerber führt, wird auch die TLG Anfragen möglicher Ansiedler prüfen. Doch hat die Bundes-Tochter noch weniger Verkaufsdruck als die einst von Schulden geplagte Kommune. Die Aussicht auf den internationalen Großflughafen in Schönefeld und die dorthin führende neue, vierspurige Landesstraße 40 lassen die Grundstückspreise in die Höhe klettern. Die wirklich guten Geschäfte lassen sich wahrscheinlich erst noch machen.
Was Stahnsdorf als Gemeinde dafür vorsorglich leisten kann, wird gemacht. Regelmäßig lässt Bürgermeister Enser das Gras auf den brachliegenden Flächen mähen, um das Gewerbegebiet in einem gepflegten Zustand erscheinen zu lassen. Im vergangenen November beschloss das Ortsparlament, außerplanmäßig Geld auszugeben für den Bau einer Planstraße in dem Gewerbeareal. 685 500 Euro hat die 270 Meter lange Straße gekostet, die das Land so wichtig fand, dass es den Bau durch seine Investitionsbank zu 80 Prozent förderte. Durch die neue Straße werden nunmehr weitere Gewerbegrundstücke erschlossen, wodurch sie vermarktbar werden.
Seinen wirklichen Anschluss an das überregionale Verkehrsnetz soll das Stahnsdorfer Gewerbegebiet durch die neue Landestraße 77 bekommen. Deren Bau war im Jahr 2000 eine Zusage des Landes, die die TLG als Bedingung für den Preisnachlass machte. Noch immer steht das Projekt vor der Planfeststellung. Bei weiteren Vermarktungserfolgen wird Bürgermeister Enser womöglich in Erklärungsnot kommen, ob die von ihm so vehement geforderte L77 tatsächlich gebraucht wird. Zumindest als Vermarktungsargument wäre sie dann überflüssig.
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