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Potsdam-Mittelmark: Von Enthüllungen betroffen

Werders Stadtverordnete lassen sich erneut auf Stasi-Mitarbeit überprüfen / Gegenstimmen von Linken

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Werder (Havel) - Werders Stadtverordnete lassen sich „birthlern“: Das Stadtparlament hat am Donnerstagabend – mit zwei Gegenstimmen der Linken – eine Überprüfung sämtlicher Mandatsträger auf Stasi-Mitarbeit beschlossen. Die ermittelten Fakten sollen allerdings nicht zwingend veröffentlicht werden: Nur wenn eine „Zielperson“ durch die Schnüffelei ins Gefängnis musste, bei hauptamtlichen Stasi-Leuten oder bei Informellen Mitarbeitern, die besonders hartnäckig die Privatsphäre ihrer Opfer ausspähten, soll das „öffentliche Interesse“ überwiegen, wie es im gemeinsamen Beschlusstext der CDU- und SPD/Grünen-Fraktion heißt. Die betreffenden Stadtverordneten sollen vorher angehört werden.

Nach Angaben von Bürgermeister Werner Große (CDU) hat es seit der Wende zwei Stasi-Überprüfungen der Stadtverordneten gegeben, in einem Fall hatte ein Mitglied wegen der massiven Vorwürfe die Konsequenzen gezogen und war zurückgetreten. Auch 20 Jahre nach der Wende halten viele Stadtverordnete eine neuen Prüfauftrag für notwendig. Seit Jahren würden durch die Birthler-Behörde neue Erkenntnisse gewonnen, so CDU-Fraktionschef Thomas Höft. Die Bürger hätten – gerade vor dem Hintergrund der neuesten Vorkommnisse – ein Recht darauf zu wissen, wer sie in der Stadtverordnetenversammlung vertritt.

SPD/Grünen-Fraktionschefin Anja Spiegel bekannte, dass sie besonders von den Stasi-Enthüllungen im Landtag „betroffen“ gewesen sei. „Wir werden nicht loslassen können von unserer Geschichte“, sagte Spiegel. „Entscheidend ist aber, wie wir damit umgehen“ Wichtig sei zu differenzieren, wie frühere Stasi-Leute mit ihrer Vergangenheit umgegangen sind und was sie nach 1990 getan haben. „Ich bin für eine zweite Chance. Jeder Mensch kann sich irren.“

Spiegel erklärte, dass sie sich auch selbst überprüfen lasse, obwohl sie zur Wendezeit erst zehn Jahre alt war und im Rheinland lebte. Sie betonte, dass auch Westdeutsche für die Stasi tätig gewesen seien und sechs Prozent aller IM unter 18 waren. Im ursprünglichen Beschlusstext sollten nur Stadtverordnete, die nach 1972 geboren wurden, überprüft werden – das wurde geändert.

Zur Überprüfung haben die Stadtverordneten einen zeitweiligen Ausschuss gebildet, in dem alle vier Fraktionen vertreten sind: Doreen Schüler (CDU), Jutta Bours-Wein (SPD/Grüne), Hans Eckert (Linke) und Doris Joppe (Freie Bürger) wurden als Mitglieder bestimmt. Falls sich zeigen sollte, dass ein Mitglied bei der Stasi war, wird es ausgeschlossen. Ein Antrag der Linken-Fraktion, eine unabhängige Kommission zu beauftragen, fand keine Mehrheit.

Hans Eckert und Peter Hinze von den Linken stimmten als Einzige gegen die Überprüfung. „Ich bin nicht IM Kater Hinze“, sagte Hinze in Anspielung auf die Fabelwelt. Bereits viermal sei er in seinen politischen Funktionen und in seiner Tätigkeit als Gewerkschaftssekretär auf Stasi-Mitarbeit überprüft worden. „Ich habe das jetzt satt. Nach 20 Jahren sollten wir endlich aufhören, uns zu zerreißen.“

Hinze – in der DDR im FDJ-Aufbaustab des Jugendobjekts „Havelobst“ tätig – gab einige Kenntnisse zur Stasitätigkeit in Werder preis: So habe ein offizieller Mitarbeiter aus Werder in Gaststätten nach „Diversanten“ gespäht, beim nationalen Jugendtreffen und bei den Blütenfesten seien offizielle Mitarbeiter nach Werder gekommen und „haben mit den Leuten hier zusammen gearbeitet“. Hinze: „Bis 1990 ging es nie ohne Stasi.“Henry Klix

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