KulTOUR: Von Flubis, Golch und Muhme Kunkel
Morgenstern-Illustrationen von leichter Hand / Monika Gerdes stellt in der Bismarckhöhe aus
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Werder (Havel) - Ganz schön praktisch, einen Golch bei sich zu haben, wenn einem halt mal was fehlt, denn der Golch verwandelt, gleich ob Beweis, ob Baum, ob Ring, sich stets „in das, worum sichs handelt“. Diesem „Zubringer“ hat Christian Morgenstern auch einen Wegschaffer beigeordnet. Das ist Flubis, welcher, „umgekehrt, das wird, was man gern entbehrt. Bei Halsbeschwerden zum Beispiel, wird das Halsweh Flubis werden". Schön und gut, aber wie sehen diese beiden Dinger nun aus?
Die Mainzer Künstlerin Monika Gerdes hat es nun herausfinden können. Seit Sonntag kann man ihre Illustrationen zu Flubis und Golch, Muhme Kunkel und der sonderbaren Uhr des Herrn Palmström in den Turmgemächern der Bismarckhöhe bewundern. Auf Werders ehemaligem Richtberg sind diese Gedichte aus den „Galgenliedern“ ja größtenteils entstanden. Viel Grund zur Freude also für den Freundeskreis Bismarckhöhe, mit der Mainzerin eine erstklassige Kennerin dieser Materie gefunden zu haben. Die Freude war zur Vernissage durchaus beiderseitig, denn es kamen so viele Gäste, dass man statt des Salons den Ballsaal nutzen musste.
Sechzig Besucher lauschten bestimmt den Rezitationen von Monika Gerdes, und mit den virtuosen Gitarrenklängen des sie begleitenden St. Petersburgers Igor Miagtchekov erlebte man zudem eine Musikkultur vom Allerfeinsten. Beste Fernsicht von ganz oben gestattete den Turmbesteigern dann einen Blick bis zum Potsdamer Brauhausberg. Ein wunderbares Gesamterlebnis, mehr Golch als Flubis, könnte man sagen.
Zu den Rezitationen wurden die Bilder bereits auf eine Leinwand projiziert. Sofort erkannte man jene leichte Hand, welche die Malerin – erst spät zu diesem Berufe gekommen – für die so verqueren Gedichten des Lyrikers fand. Beide bindet wohl derselbe Geist, eine Heiterkeit, wie man sie sich in künstlerischen Dingen öfter wünscht. So baumeln drei Galgenbrüder gar wunderlich am Holz, ihr Bundeslied seufzend: „O schauerliche Lebenswirrn, wir hängen hier am roten Zwirn!“ Der Zwölf-Elf „hebt die linke Hand: Da schlägt es Mitternacht im Land“, von den beiden ollen Botten ganz zu schweigen, die man auch als Kunstpostkarte kaufen kann. Technisch verwendet Monika Gerdes verdünntes Acryl für ihre Bilder im Einheitsformat 80 mal 60, wodurch sie die Transparenz von Aquarellen bekommen.
Wie bei Morgenstern, lebt das Begriffliche auch bei ihr, wie „Nasobem“ oder „Schnupfen“. Mit der „Muhme Kunkel“ machte sie ganz eigene Erfahrungen: Trotz vieler Versuche wollte diese Dame einfach nicht aufs Bild, was Morgenstern ja vorhersagte: „Schon dass hier ihr Name lautbar ward, widerspricht vollkommen ihrer Art.“ Als man ihr riet, die Unnahbare um Erlaubnis zu bitten, gelang es – leider nur im Halbprofil.
Ein Besuch dieser Verkaufsausstellung kann den Geist der Vernissage als „Gesamtkunstwerk“ nicht zurückholen, wie ihn die ausgebildete Sozialpädagogin schon bei „Dekameron“ und „Winterreise“ erprobte, doch sind diese Bilder aller Blicke wert, Illustrationen nach ihrer Bestimmung, Kunstwerke für sich. Wird eines verkauft wie „Die beiden Esel“ – ein Lieblingsgeschenk an Ehefrauen – so schafft sie aus dem Gedächtnis ein neues. Von diesem ist die vierte Fassung zu sehen, na, das freut doch den Golch!
Ausstellung bis zum 8. Juni. Am 27. April und vom 1. bis 4. Mai von 11 bis18 Uhr, am 26. April und vom 28. bis 30. April von 13 bis 18 Uhr, danach immer von 14 bis 18 Uhr auf der Bismarckhöhe
Gerold Paul
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