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Potsdam-Mittelmark: Von Graf von Gallas niedergebrannt

Ferch im Dreißigjährigen Krieg: Militärhistoriker ergänzte und korrigierte in einem Vortrag Kenntnisse zur Ortsgeschichte

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Ferch im Dreißigjährigen Krieg: Militärhistoriker ergänzte und korrigierte in einem Vortrag Kenntnisse zur Ortsgeschichte Von Erhart Hohenstein Schwielowsee-Ferch. In diesem Jahr haben Helga und Heinz Schmiedel eine Broschüre „Ferch - einst und jetzt“ vorgelegt, in der zahlreiche Autoren vertreten sind (PNN berichteten). Sie habe die Diskussion über die Vergangenheit des Dorfes neu belebt, aber auch unterschiedliche Meinungen zur Ortsgeschichte deutlich werden lassen, erklärte Ortsbürgermeister Roland Büchner am Sonnabend im Gemeindehaus. Er eröffnete eine ebenfalls vom Ehepaar Schmiedel initiierte und vom Kulturforum Schwielowsee veranstaltete Vortragsreihe, die die Aussagen der Chronik erweitern, ergänzen oder auch korrigieren kann. Den Anfang machte Mathias Franz, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Militärgeschichte der Universität Potsdam, mit dem Thema „Ferch im 30-jährigen Krieg“. Darüber haben sich nur ganz wenige Quellen erhalten, so dass der Militärhistoriker häufig auf Vergleiche und (wissenschaftlich begründete) Spekulationen angewiesen war. Verbürgt ist, dass Ferch und Kammerode 1639 von kaiserlichen Truppen unter Generalleutnant Matthias Graf von Gallas niedergebrannt wurden. Sein Obrist Hans von Rochow, dem als Gutsherr auf Plessow diese Dörfer gehörten, konnte die Brandschatzung nicht verhindern. Darüber hat er in seinem Lebensbericht Auskunft gegeben, der sich als Druck erhalten hat, während das Plessower Gutsarchiv wie so viele andere seit Kriegsende 1945 verschollen ist. Damit fehlt der lokalen Geschichtsforschung eine hochwichtige Quelle. Der Krieg, der ja nicht ununterbrochen und auch nicht stets an den gleichen Orten tobte, ist bereits 1626 in diese Ecke der Zauche gekommen, ohne dass Ferch genannt wird. Für sicher hält Franz, dass der Ort im Mai 1631 vom Kriegslager Gustav Adolfs in Potsdam betroffen war. Der Schwedenkönig führte ein Heer von 15682 Soldaten mit sich, dazu rund 7000 Angehörige ihrer Familien, Bedienstete u.a. Diese riesige Menschenmenge brauchte Nahrung, frische Pferde, Transportmittel und sonstige Versorgung. Sie kann also nicht nur auf dem Brauhausberg (Weinberg) der damals 1500 Einwohner zählenden Stadt gelegen haben, sondern musste die Umgebung mit nutzen, selbst das nicht an einer Straße gelegene, im Wald versteckte Ferch. Angesichts der Notlage und der Drangsalierung der Bevölkerung kann ausgeschlossen werden, dass die Dorfkirche wie angegeben 1632 errichtet wurde und etwa zu gleicher Zeit die riedgedeckten malerischen Fischerhäuschen entstanden, wie sich übrigens auch Fischer für diese Spanne im „Fischerdorf“ Ferch nicht nachweisen lassen. Aber diese Unstimmigkeiten hatten bekanntlich bereits die Autoren der heimatgeschichtlichen Broschüre dargestellt. Dass, wie die Chronik meldet, das niedergebrannten Ferch erst ab 1683 wieder aufgebaut wurde, konnte Franz widerlegen. Denn bereits 1639 stellte Hans von Rochow Kammeroder Bauern Zugpferde für den Wiederaufbau einer Scheune zur Verfügung. Bauern gab es also in der Gegend noch, wie ja die Brandschatzung eines Dorfes nicht zwangsläufig das Auslöschen seiner Bewohner bedeutete, die oft rechtzeitig fliehen und sich verstecken konnten. 1648 wohnt in Ferch nur noch eine Witwe, 1652 ermittelt Landreiter Dierberg aber schon wieder fünf erwachsene Männer. Allerdings tragen sie andere Namen als die „Urfercher“, sind also wohl zugezogen. Wie groß ihre Familien waren, wird nicht gesagt. 1720 nähert sich das Dorf mit zehn von einem Bauer und sieben Kossäten bewirtschafteten Hufen der Vorkriegsgröße. Der Vortrag und die anschließende Fragestunde zeigten, wie groß das Interesse der Fercher an ihrer Ortsgeschichte ist. Fast 40 Einwohner waren trotz Wochenende und Kaffeezeit in das Gemeindehaus gekommen.

Erhart Hohenstein

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