KulTOUR: Von Rock bis Barock
Cellokonzert im Garten des Einsteinhauses
Stand:
Schwielowsee - Mit der immerwährenden Frage „Lieben Sie Cello“ gestaltete das Berliner „Mainardi Quartett“ am Samstagnachmittag die erste „Caputher Musik“ nach der Sommerpause auf dem Anwesen von Albert Einstein, dicht am Hang gelegen. Der Titel war natürlich rhetorisch gemeint, schließlich gehören die Instrumentalisten Sophie Notte, Ella Rundle, Anna Katharina Ostendorf und Marshall McDaniel sämtlich zu Konstantin Heidrichs Violoncello-Klasse an der hauptstädtischen UdK, da setzt man ein bisschen Liebe doch wohl voraus.
Andererseits würde keiner zu einem solchen Konzert gehen, wenn er das ad-hoc-Instrument des menschlichen Gemüts nicht wenigstens irgendwie mögen täte. Schon Preußens Dicker Wilhelm spielte es mit wahrer Hingabe, auch in Caputh! Guter Besuch also im Terrassenbereich des bescheidenen Sommerhäusels, über dessen azurnen Septemberhimmel flockig Gewölk ganz rätselhaft nach Süden trieb. Wie da Welle auf Welle folgte, so war auch der Programmlauf konzipiert, hier und da vielleicht ein bisschen zu ambitioniert für so junge Leute in der Ausbildung.
Stilistisch griff das Quartett vom Barock bis zum Pop, formal stellte es Claude Debussy neben Vater Bach, Astor Piazzolla neben die Gruppe Apocalyptica aus Finnland, die verspielte Serenade von Georg Goltermann neben das streng gebaute D-Dur-Konzert von Michel Corrette, achtzehntes Jahrhundert. Eine grüne Wiese und Open-Air-Stimmung verkraftet solche Kontraste.
Unverständlich eher, warum man etliche Literatur auswählte, die in ihrer langsamen, düsteren, elegischen Anlage eher auf das Gemüt drückte, statt es zu erheben. So waren Astor Piazzollas erster Tango „Chiquilin de Bachin“ (Bearbeitung Philipp M. Kaufmann) ganz furchtbar traurig anzuhören, zumal sich der Schluss ganz im Winde verlor. Auch Frederic Chopins Etüde Nr. 10 Op. 6 sehr kurz und sehr ernst. Bachs Sarabande aus der IV. Suite für Cello solo in der Bearbeitung von Philipp Matthias Kauffmann ging irgendwie daneben. Das passiert.
Auf der anderen Seite mehr Dynamik, Lebendigkeit, Spiel- und Lebensfreude: bei Sergej Rachmaninows unverwüstlicher „Vocalise“ in der Bearbeitung für vier Celli. Oder bei Eduard Pütz’ „Tango passionato“, viel traditioneller gebaut als Vergleichbares bei Piazzolla.
Der Clou dieses Konzertes aber blieben, mit Verlaub, Titel der finnischen Cello-Rock-Gruppe „Apocalyptica“, etwa „Romance“ oder „The Unforgiven“, die über einer dynamischen Basso-Struktur (Continuo im Wortsinn!) die zartesten Melodien entfalteten. Als Autor ist Eicca Toppinen angegeben. Klasse! Hier fühlte sich auch das Quartett besonders wohl.
Der US-Amerikaner Marshall McDaniel in seiner lockeren Art übernahm die Moderation dieses Wechselbades an Emotionen. „War echt schön hier“ sagte er. Alles paletti, fast alles gut – und natürlich lieben wir Cello, ist doch klar! g.p.
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