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Potsdam-Mittelmark: Vorsorglicher Kahlschlag

Irgendwann will der Bund an der Alten Potsdamer Landstraße bauen – Bäume lässt er schon jetzt fällen

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Stahnsdorf - Obwohl der Wind kalt übers freie Feld fegt und sich die Landschaft keinesfalls einladend präsentiert, geht Gerhard Casperson das Herz auf. Von einer der „wertvollsten Heidelandschaften, die es hier gibt“, schwärmt der mittelmärkische Naturschutzbeauftragte beim Blick über die Stahnsdorfer Militärbrache hinter der Alten Potsdamer Landstraße. Wo für den Laien ein paar kleine Bäume stehen und zu dieser Jahreszeit alles grau in grau erscheint, spricht der Naturliebhaber, wie der Biologe Casperson einer ist, von einem „kulturhistorisch außerordentlich interessanten Gebiet“. Denn seit dem Abzug des Militärs entwickelt sich wieder eine Vegetation, wie sie sich hier vor 800 Jahren – vor der Zeit der Besiedlung – befand.

Umso überraschter waren nun Stahnsdorfer, als sie in den vergangenen Tagen Baumfällungen und Schredderarbeiten an der Alten Potsdamer Landstraße beobachteten. Auf einem etwa 50 Meter breiten Streifen entlang der Straße wurde gestutzt, was gewachsen war. „Völlig schleierhaft, was hier passiert“, raunzt Gerhard Casperson. „Ein Bild der Verwüstung“, beklagt sein Stahnsdorfer Naturschutz-Kollege Peter Ernst. Eine Motivation für den Kahlschlag sei nicht zu erkennen.

Es gibt auch keine. In der Bundesagentur für Immobilienaufgaben, die das Areal verwaltet, spricht Mitarbeiter Thomas Kelch von einer „rein vorsorglichen Maßnahme.“ Die Bundesagentur hat die Waldarbeiten veranlasst, eine konkrete baurechtliche Planung stehe allerdings nicht dahinter. „Wir wollen die Bebaubarkeit offen halten“, begründet Kelch den Eingriff. Die Aufregung der Naturschützer kann der Bundes-Immobilienverwalter nicht verstehen: Immerhin würden 80 Prozent des 50 Hektar großen Areals der Natur überlassen. Nur ein schmaler Streifen des weiten Terrains solle einmal bebaut werden.

Als die Mauer fiel, Armeen Truppenübungsplätze in Wäldern aufgaben und die Bundesregierung beschloss, von Bonn nach Berlin zu ziehen, geriet auch Stahnsdorf als günstig gelegener Ort ins Visier des Bundes, um hier für seine Staatsdiener Häuser zu bauen. Als weite Teile der Parforceheide, dem üppigen Grüngürtel zwischen Berlin und Potsdam, unter Landschaftsschutz gestellt wurde, blieb dem Streifen entlang der Alten Potsdamer Landstraße dieser Status vorenthalten. Indes wurde für das Gebiet 1993 ein Bebauungsplan (B-Plan) aufgestellt – die „Nummer 19“ unter damaligen Bauvorhaben, die in Stahnsdorf in Planung waren. Städtebauliches Ziel war es, das „Gebiet des ehemaligen Truppenübungsplatzes als Wohnbaufläche und zu wohnungsnahen Grünflächen“ zu entwickeln. Bis heute ist daraus nichts geworden. Zur Freude von Casperson und anderen Naturfreunden eroberte sich die Natur ihren einstigen Lebensraum zurück. Heidekraut, Wildrosen, Eichen, Birken und Kiefern vermag Casperson verzückt zu registrieren.

Im Stahnsdorfer Gemeindeamt registrierte man hingegen, dass der Bund seine Bebauungsabsichten für das Gebiet kaum konkretisiert hatte. Daher machte das Gemeindeparlament im vergangenen Dezember den vor zwölf Jahren gefassten Beschluss rückgängig, einen B-Plan aufzustellen. Damit gilt für Areal der ursprüngliche Status – ein natürliche Freifläche.

Die Begeisterung, mit der Naturfreund Casperson die „völlig kostenlose, weil natürliche Vegetation“ beobachtet, verspürt man in der Bundesagentur nicht. Als „Wildwuchs, der sich klein hält“, wird dort das Pflanzenwachstum betrachtet, und auch der zuständige Revierleiter der Bundesforst, Falko Dockhorn, sieht den Einsatz nicht problematisch. „Dort ist nur geringer Aufwuchs, keine großen Bäume.“ „Klar“, ärgert sich Gerhard Casperson, „wenn man sie absägt, können sie auch nicht wachsen.“

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