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Potsdam-Mittelmark: Vorurteile vom Tisch gefegt

Beelitzer Jugendlichen ist das Wahlalter von 18 zu weit weg, sie wollen sich früher einmischen. Am Donnerstagabend wurde deshalb ein Jugendparlament gegründet

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Beelitzer Jugendlichen ist das Wahlalter von 18 zu weit weg, sie wollen sich früher einmischen. Am Donnerstagabend wurde deshalb ein Jugendparlament gegründet Von Henry Klix Beelitz. Da war man sich im Beelitzer Tiedemann-Haus einig – solche Sätze hat man von der „Nullbock“-Generation nicht erwartet: „Wir sind alle politisch interessiert. Das Wahlalter von 18 Jahren ist uns viel zu weit weg. Und deshalb möchten wir schon vorher mitgestalten.“ Der so spricht heißt Philipp Käthe und ist – gemeinsam mit Lisa Koppenhagen – Vorsitzender des neuen Beelitzer Jugendparlaments. Am Donnerstagabend hat sich die 15-köpfige Gruppe im Alter von 14 bis 18 Jahren, die künftig im kommunalpolitischen Stadtgeschehen kräftig mitmischen will, der Öffentlichkeit vorgestellt – und damit praktisch alle bestehenden Vorurteile gegenüber der jungen Generation vom Tisch gefegt. Bei der Gründungsfeier ließ man keinen Zweifel, wie ernst man es mit der demokratischen Jugendkultur meint: Ob bei der dünnen Ausstattung von Schulen, dem dürftigen Veranstaltungsprogramm für Jugendliche, dem fehlenden Radweg von Fichtenwalde nach Beelitz oder den schlechten Busanbindungen nach Schulschluss: Überall will das engagierte Team die politischen Entscheidungsträger auf Trab bringen. Dass man sich auch des Themas Graffiti annehmen will, dazu gab es von den erwachsenen Besuchern der Gründungsveranstaltung dann sogar lang anhaltenden Beifall. Katrin Pasternak, Vorsitzende des Stadtplanungsaussschusses des neuen Rats, regte dazu an, die Bushaltestellen weiß zu streichen und dann an die Sprayer auszuschreiben. Die könnten ausgereifte Skizzen einreichen, „und wir entscheiden, was raufkommt. Ich denke, dass wird dann nicht mehr so schnell überschrieben.“ Einen anderen Vorschlag machte Charlie Zapp, der den Jugendausschuss leiten wird: den Sprayern weiße Mauern zur Verfügung zu stellen. „Die würden auch selbst aufgebaut werden, wenn uns Plätze dafür genannt werden“, versicherte er. Die Beteiligung an jugendrelevanten Themen ist einer der Leitsätze des neuen Gremiums. So beschreibt Philipp Käthe den neuen Skaterpark an der Beelitzer Virchowstraße als echten Aufreger unter vielen Jugendlichen der Spargelstadt. „Die Skaterbahn ist ja schön und gut, aber dass man eine viel zu kleine Halfpipe baut, wäre mit uns nicht passiert“, ist er sich sicher. Bei Themen wie diesen will man künftig Mitspracherecht einfordern – und stößt dabei bei Beelitzer Kommunalpolitikern auf offene Ohren. Laut Bürgermeister Thomas Wardin soll das Jugendparlament zu allen Ausschüssen des Stadtparlaments eingeladen werden und Rederecht bekommen. Wenn die Thematik es erfordert, sollen die jungen Politiker sich auch in der Stadtverordnetenversammlung selbst zu Wort melden dürfen. Wardin verspricht sich von der Kooperation, dass gegenseitiges Verständnis wächst und Entscheidungsprozesse in der Stadt positiv vorangetrieben werden. „Vielleicht kann das auch ein Beitrag sein, der weit verbreiten Politikverdrossenheit etwas entgegen zu setzen.“ Jugendliche wollen das Jugendparlament in Beelitz schon lange. Die Initialzündung gab es schließlich, als die „Stiftung Sozialpädagogisches Institut“ (SPI) die Sache vor einem Jahr in die Hand nahm. Als Partner des bundesweiten „Netzwerks gegen rechts“ versucht die Stiftung brandenburgweit, die Gründung von Jugendparlamenten zu fördern. So begann man vor einem Jahr in Beelitz, Flugblätter zu verteilen und sich an Schulen und Jugendklubs zu wenden. SPI-Mann Thomas Kropp hält das Ganze durchaus nicht für eine Eintagsfliege. In Treuenbrietzen zum Beispiel habe das seit anderthalb Jahren bestehende Jugendparlament ein Konzept für den Strand des Baggersees vorgelegt. Die Stadt sponsorte das Material für Bänke und eine Loggia, die durch die Jugendlichen errichtet wurden. Auch in Trebbin besteht ein Jugendparlament. Laut Kropp gibt es in Teltow und Potsdam Interesse, dem Beelitzer Beispiel zu folgen. Beim Beelitzer politischen Nachwuchs wird unterdessen bereits die erste Aktion vorbereitet: Parlamentschefin Lisa Koppenhagen kündigte einen Reinigungstag in Beelitz-Heilstätten an. „Da liegen alte Sachen, Spritzen und Scherben rum, an denen sich Kinder verletzen könnten.“ Der Termin soll demnächst bekannt gegeben werden. Wenn es so munter weiter geht wie bei der Gründungsveranstaltung, wird man wohl noch öfter von dem neuen Gremium hören: Der Chor des Beelitzer Gymnasiums sang Spirituals und Rockklassiker. Und auch Beelitzer Breakdancer ließen mit ihrer Körperakrobatik massive Zweifel aufkommen, dass es sich beim gegenwärtigen Nachwuchs wirklich um die Nullbock-Generation handelt. Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 27 Jahren sind eingeladen, beim Jugendparlament Beelitz mitzumachen. Ansprechpartner ist Thomas Kropp, Tel. (0331) 9793730.

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