Potsdam-Mittelmark: Wandel im Handel
Teltow will mit einem Einzelhandelskonzept dem Wildwuchs von Supermärkten entgegenwirken. In Werder war ein solches Konzept vor einigen Jahren allerdings folgenlos geblieben
Stand:
Teltow - Obwohl es ein gutes Dutzend Supermärkte in Teltow gibt, kann das Rathaus die Ansiedlung neuer Lebensmittelketten derzeit kaum verhindern. Das geht aus einer Rathausvorlage hervor. Einzige Möglichkeit, den Wildwuchs einzudämmen, ist ein Einzelhandelskonzept. Genau das will die Stadt jetzt in Auftrag geben, die Stadtverordneten sollen in der nächsten Sitzung über einen entsprechenden Beschlussvorschlag der Verwaltung entscheiden. Kosten: etwa 30 000 Euro. Hintergrund ist auch eine Forderung aus dem Bürgerhaushalt, in Teltow keine neuen Supermärkte mehr zu erlauben. Dafür gab es 115 Stimmen, die Forderung belegte damit im Bürgerhaushalt den zwölften Platz.
Die Einwohner haben es längst bemerkt: Der Wildwuchs an Frischemärkten und Discountern ist in Teltow inzwischen auch ein städtebauliches Problem. So hat sich Rewe von seinem alten zentralen Standort im Wohngebiet am Ruhlsdorfer Platz zurückgezogen, um jeweils nur wenige Autofahrminuten entfernt gleich zwei neue Märkte auf leeren Grundstücken zu bauen. Der alte Markt gammelt vor sich hin, und das ist längst keine Ausnahme in der Stadt.
Trotzdem nimmt das Chaos kein Ende: Zuletzt hatten die Stadtverordneten unter Bauchschmerzen im Frühjahr den Weg für den Neubau eines Edeka-Marktes in der Nähe des S-Bahnhofes freigemacht. An sich sollten auf dem Bauplatz Wohnungen entstehen. Der Wirtschaftsförderer des Landkreises, Martin Rätz, hatte in dem Zusammenhang kritisiert, dass der städtische Handel in Teltow völlig konzeptionslos wächst und stirbt, neue Geschäfte gebaut werden, obwohl alte Handelsplätze leer stehen.
Doch die Handelsketten haben ein Recht darauf, immer neue und größere Märkte mit riesigen Parkplätzen aus dem Boden zu stampfen, wenn keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, wie es nun in der Rathausvorlage heißt. Einzelhandelsbetriebe bis zu 800 Quadratmeter Größe seien sogar in reinen Wohngebieten erlaubt. Allerdings kann das Warenangebot durch die Kommune in Bebauungsplänen erheblich eingeschränkt oder sogar ganz ausgeschlosssen werden – wenn sie darlegen kann, warum bestimmte Sortimente nicht angeboten werden sollen. Dem sollte ein städtebauliches Planungskonzept zugrunde liegen, öffentliche und private Belange müssen gegeneinander abgewogen werden.
Ein Einzelhandelskonzept zum Beispiel könnte städtebauliche Aussagen über zentrale Versorgungsbereiche, ihrer Sicherung und Entwicklung treffen, wie in der Rathausvorlage jetzt argumentiert wird. Selbst wenn die Stadt in diesen Zentren die Ansiedlung bestimmter Branchen nur plant, könnten diese Sortimente an anderen Punkten dann ausgeschlossen werden. Das Einzelhandelskonzept sollte aber mit dem Bevölkerungswachstum weiter entwickelt und erneuert werden, meint die Stadtverwaltung – und auch nicht dazu führen, dass Ansiedlungen komplett verhindert werden, wie es die Bürger im Bürgerhaushalt fordern. Denn Kunden würden von einem vielfältigen Angebot und dem Wettbewerb ja auch profitieren.
Im vergleichbar großen Werder (Havel) hatte ein Handelsgutachten indessen vor einigen Jahren zu der Aussage geführt, dass sich zu viele Supermärkte und ein geringes Kundenaufkommen ungünstig insbesondere auf den „Warendurchlauf im Frischebereich“ auswirke. Sprich: Die Ware vergammelt, wenn sie nicht schnell genug verkauft wird. Bei Lebensmitteln wurde der Stadt Werder ein deutliches Überangebot attestiert. Während die Einwohner für Nahrungs- und Genussmittel eine Kaufkraft von 41 Millionen Euro pro Jahr aufbringen, betrage der branchenübliche Umsatz für die seinerzeit neun ansässigen Betriebe 67,7 Millionen Euro, wie es in der Expertise damals hieß.
Das Papier war von Investoren in Auftrag gegeben worden, die im neuen Wohn- und Gewerbequartier Havelauen ein großes Einkaufszentrum errichten wollten, das inzwischen von anderen Investoren tatsächlich gebaut wurde. Dafür wurde in dem Gutachten auch noch Potenzial gesehen – zulasten der Supermärkte in der nahen Eisenbahnstraße. Dessen ungeachtet will nun der dort ansässige Netto-Markendiscount auf einem neuen Grundstück einen doppelt so großen Supermarkt bauen, die Stadtverordneten stimmten zu. Trotz Handelskonzept geht der Verdrängungswettbewerb in Werder also weiter.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: