Potsdam-Mittelmark: „Was hast du denn davon?“
„Plötzlich sind alle Politiker nett“: Wahlkampf-Versprechen an Stahnsdorfer Ehrenamtliche
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Stahnsdorf - Ein kräftiger Händedruck zur Begrüßung, ein gezielter SchulterKlopfer zwischendurch und eine lange Umarmung zum Schluss: Landesvater Matthias Platzeck macht sich gar nicht erst die Mühe zu verbergen, dass sein Besuch am Mittwochabend in Stahnsdorf der direkten Schützenhilfe für seine Parteifreundin Ruth Barthels diente. Die Sozialdemokratin will Bürgermeisterin werden und alles andere als Platzecks Empfehlung, sie zu wählen, hätte das Publikum auch verwundert.
In den Pflanzenhof eingeladen hatte man rund 80 Ehrenamtliche. Bei Grillfleisch und Bier versprach Barthels Vereinsvorsitzenden, Elternsprechern, Pflegehelfern und Arbeitsgemeinschaftlern, ihre Arbeit „offensiv“ zu unterstützen, sollte sie am 1. Juni zur Bürgermeisterin gewählt werden. Derartige Versprechen sind nicht neu, so dass sich Martin Heiland nur wünscht, dass Barthels auch bei ihrer Ankündigung bleibt. Denn Heilands Erfahrungen sind andere. Vor acht Jahren war es Gerhard Enser, der nach seinem Wahlerfolg Ehrenämtler zu einer „Zukunftskonferenz“ einlud und Hoffnungen auf mehr Mitbestimmungen machte. Zumindest Heilands Resümee ist ernüchternd: Für den Bürgermeister war es zum Auftakt seiner Amtszeit ein „gezielter Werbeeffekt“, die Initiativen selbst erlangten nie den erhofften Wirkungsradius. „Die Verwaltung war einfach nicht auf die Ideen der Bürger gefasst“, urteilt Heiland, der sich in der AG Verkehrskonzepte engagiert.
„Sie werden mir alles andere als lästig sein“, verhieß indes Barthels. Wahlkampfrhetorik – weiß Elternsprecherin Martina Sonnen. Dennoch glaubt sie, dass „so eine Veranstaltung etwas bringt“. Man werde Barthels im Falle ihrer Wahl an ihren Versprechen „festnageln“, so die Warnung der Elternsprecherin von der Zille-Grundschule. Und was angenehmes hat es auch: „Plötzlich sind alle Politiker nett“, befand Kollegin Kristina Kroll von der Lindenhofschule.
Nett war Barthels auch zu Gerhard Kleinke von der Ortsverkehrswacht Stahnsdorf, als sie versprach, sich um sein Problem zu kümmern. Über 30 Jahre brachte Kleinke jungen Fahrradfahrern das Verhalten im Straßenverkehr bei. Seit 2007 schränkt ein Vertrag den zeitlichen Umfang seiner Arbeit auf dem Hof der Kita Mäuseburg ein. Kleinke ärgert, dass sein eigentliches Engagement unter dem Streit mit Behörden leidet. „Was hast du denn davon?“, habe ihn seine Frau schon oft gefragt, wenn er sich zwischen Ehrenamt und Behördenstress aufreibt. „Das dankt dir später keiner“, habe sie ihn gewarnt. Aber für die Kinder mache er das gerne.
Was vom Abend blieb, war das Gefühl eines lebendigen Stahnsdorfs. Bei so viel engagierten Bürgern sei ihm nicht Bange um Stahnsdorf, befand dann auch Platzeck zum Abschied. Tobias Reichelt
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