KulTOUR: Was kannst du armer Teufel geben
Werderaner Theater Comedie Soleil mit lockerem Zugriff auf Goethes „Faust“ / Action mit Mephisto
Stand:
Von Gerold Paul
Werder (Havel) - Wie im richtigen Leben, so wird auch im Theater erst am Schluss abgerechnet. Dieser freilich war am Wochenende in der Comedie Soleil noch ferne, das Ensemble hatte ja gerade erst begonnen, sich auch mal an Goethes „Faust“ abzuarbeiten, wie jede ordentliche Bühne. Vor zu wenig Besuchern fand am Samstag die zweite Aufführung des Ersten Teiles dieser „deutschen Tragödie“ statt. Genauer gesagt war es der erste Teil vom ersten Teil, vom Vorspiel auf dem Theater bis zum Abflug Richtung Leipzig führend, die „schwankenden Gestalten“ des Prologs ließ die Inszenierung von Thomas Niehus weg. Der berühmte Theaterdisput fand außerhalb der Bretter vor dem Tresen statt, hier ereilte auch den armen Inspizienten Michael Klemm der Impresaria (Michaela Wrona) Befehl, den Part des Faust zu übernehmen, der Hauptdarsteller sei wieder mal besoffen.
Sympathisch ist der gelegentlich lockere Zugriff auf das gute Stück, das ja „nicht in Äonen untergehn“ soll. Erstaunlich dagegen, wie man dabei mit drei Damen und drei Herren auskommt. Also Mehrfach-Besetzungen. Jens Uwe Behrends offene Bühne braucht nur eine hochlehnige Parkbank als Versatz. Sie reicht, den Chor der Engel vom Beginn zu imitieren, die nachts um zwei wie zwei verpennte Penner wirken. Gott selbst (Roman Gegenbauer) mit seiner Schiebermütze nimmt dort Platz, um die Wette mit Mephisto – eine Glanzpartie für David Segen – auszutragen.
Die Hinterbühne mit ein paar Höhungen ist Projektionsfläche für filmisch-virtuelle Räume und menschliche Interna. Diesmal hat man sich sogar der Theatermasken erinnert, beim alten Erdgeist etwa, endlich! Michael Klemm führt einen alternden, manchmal lebensmüden Faust in das Geschehen ein. Ganz inwendig konzentriert wirkt der große Eingangsmonolog, gelangweilt palavert er mit dem gestisch-monotonen Famulus Wagner alias Roman Gegenbauer. Nach der Blutwette mit Mephisto – eine tolle Szene – hängt er dann erschöpft auf dieser Bank, bevor er zagend in Richtung Auerbachs Keller abhebt. Denken und Zaubern sind eben anstrengend. Trotzdem kann er auch mal herzhaft lachen.
Anja Thurm, sonst als „Dorfleut“ eingeteilt, war für die Bildprojektionen zuständig, Nadja Winter spielte zu Beginn den wütend-bebrillten Dichter, einen Erzengel, dann jenen erz-naiven Schüler, der Lebensrat bei Fauste sucht, ihn aber von Mephisto bekommt.
Thomas Niehusens Inszenierung bemüht sich deutlich um Werktreue, sucht aber zugleich, wovon es gern ein Lot mehr sein darf, die augenzwinkernde Selbständigkeit. Tendenzen sind in der knapp zweistündigen Inszenierung bisher kaum zu erkennen, wie auch, die folgenden Szenen krempeln ja doch alles um, und: Abgerechnet wird erst final. Was aufs Wort gestellt ist, braucht mehr Eile, weniger Laufen, das Dialogische mehr Zeit. Dergestalt also können nun auch die Soleianer sagen „Haben nun, auch den Faust probiert...“ - hinzuzufügen wäre: „... und dabei nur die Oberschicht vom Zauber-Faust berührt, was kannst du armer Teufel geben!“
Geheimworte und Gesten spielen keinerlei Rolle. Hier gilt es aufzupassen, dass kein „Schul-Werk“ entsteht. Letztlich kommt erst richtig Action auf, wenn der Leibhaftige die Bühne erstürmt, wie im wirklichen Leben. Ein ziemlich faustischer Start trotzdem.
Nächste Vorstellungen vom 3. bis 5. und am 10. Dezember
Gerold Paul
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