
© Kitty Kleist-Heinrich
Potsdam-Mittelmark: „Was machen die mit meinen Unterlagen?“ Werderaner bemängelt Datenschutz beim Jobcenter – und weigert sich, Kopien mehrfach abzugeben
Werder (Havel) - Kontoauszüge der letzten drei Monate, der Arbeitsvertrag der Partnerin, Nachweis der Heizkosten ..
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Werder (Havel) - Kontoauszüge der letzten drei Monate, der Arbeitsvertrag der Partnerin, Nachweis der Heizkosten ... Bernd Seyfert aus Werder sind solche Anforderungslisten des Jobcenters Maia allzu vertraut. Immer neue Unterlagen fehlten angeblich: Mal die Anlage UH1, mal der Einkommensnachweis der studierenden Tochter, dann die Rentenversicherungsnummer, Scheidungsurkunde ... Monatelang ging das so: Am 1. Dezember 2011 war Bernd Seyfert arbeitslos geworden, hatte sich schon zwei Wochen vorher in der Maia gemeldet, damit die Familie nicht in finanzielle Schieflage gerät.
„Die Maia ließ sich alle Zeit der Welt und wollte Unterlagen, die sie längst hatte“, so Seyfert. Inzwischen konnte er nach der Winterpause in seinen Hausmeisterjob in einer Ferieneinrichtung zurückkehren. Seine Alg-II-Ansprüche konnte er derweil nur über das Sozialgericht durchsetzen. Eine Frage wurde ihm auch dort nicht beantwortet: „Was macht die Maia mit meinen Unterlagen.“ Dass gerade in einem Papiercontainer in Frankfurt (Oder) Dokumente der Arbeitsagentur mit Kundendaten entdeckt wurden, hat ihn nicht gewundert. Der Fall erinnere ihn an den Schreibtisch seiner Bearbeiterin, unter dem ein riesiger Karton gestanden habe – mit einem Papierwust. „Zum Schreddern“, habe sie gesagt. „Das wirkte nicht vertrauenserweckend“, so Seyfert.
Seine Kfz-Versicherung oder der Einkommensnachweis seiner Partnerin Heike Schmidt-Sahin zum Beispiel wurden zweimal im Jobcenter kopiert, auch die Kontoauszüge der letzten drei Monate. Das Paar hat sich das quittieren lassen, dann wurden die Unterlagen erneut gefordert. Vorauszahlungen wurden trotz des geringen Einkommens der Partnerin abgelehnt. „Schikane“, meint Seyfert.
Seine Frau Heike Schmidt-Sahin ist in Werder als Sozialhelferin tätig, kümmert sich auch um Alg II-Anträge von Klienten. Sie sei mit ähnlichen Vorgängen vertraut. „Besonders beliebt sind Scheidungsurkunden. Ich weiß nicht, was sie im Jobcenter damit machen.“ Im Fall ihres Partners hat sie beim Sozialgericht einen Eilantrag gestellt. Die Leistungsakte hat das Gericht gar nicht erst bekommen, stattdessen hat die Maia die beantragten Hartz IV-Leistungen eilig anerkannt. Für Bernd Seyfert war die Sache damit nicht erledigt: Ihm wurde kurz darauf vom Jobcenter gedroht, Leistungen zu versagen, wenn fehlende Unterlagen nicht nachgereicht werden. Jene vierte „Mitwirkungsaufforderung“ enthält eine Tabelle mit neun Positionen.
„Bis nicht geklärt ist, wohin unsere eingereichten Kopien verschwinden, weigern wir uns, dieser Behörde personenbezogene Unterlagen zu geben“, sagt Bernd Seyfert. Dieser Umstand war inzwischen Gegenstand einer Anhörung im Sozialgericht. Einige Unterlagen tauchten dort plötzlich wieder auf, auf die versprochene Neuberechnung wartet das Paar noch.
Wegen des Datenschutzverstoßes hat Seyfert eine Strafanzeige erstattet, auch die Landesdatenschutzbeauftragte wurde eingeschaltet. Verwundert zeigt sich Heike Schmidt-Sahin, dass in einer der schriftlichen „Mitwirkungsaufforderungen“ eine interne Mail mit Daten eines anderen Antragsstellers lag. Sie erinnert sich auch an eine „sehr merkwürdige E-Mail“ eines „Soko-Instituts“: Es bat mit Berufung auf die Bundesagentur für Arbeit, an einer Befragung teilzunehmen. „Wir haben einer Weitergabe unserer Daten an Dritte nie zugestimmt.“
Bei der Landesdatenschutzbeauftragten und auch beim Potsdamer Sozialgericht hat man von ähnlichen Fällen noch nicht gehört. Maia-Fachdienstleiter Bernd Schade versuchte auf PNN-Anfrage, zumindest die Mail des Soko-Instituts zu erklären: „Es wäre rechtlich zulässig, wenn sich die Bundesagentur zur Evaluation arbeitsmarktpolitischer Instrumente externer Institute bedient.“ Die Daten müssten danach gelöscht werden.
Was die verschwundenen Unterlagen von Bernd Seyfert angeht, wollte er sich „aus Gründen des Datenschutzes“ nicht äußern. Nur soviel: „Es ist natürlich unser Anspruch, dass keine Unterlagen verlorengehen.“ Bei der großen Zahl von Bescheiden könne er „einzelne menschliche Fehler“ nicht völlig ausschließen. Bei komplexeren Fällen müssten auch mal Dokumente nachgefordert werden, wenn sich neue Fragestellungen ergeben. „Schließlich gibt es auch Leute, die uns bewusst versuchen, hinters Licht zu führen. Da werden Unterlagen eingereicht, die haarscharf an dem vorbeigehen, was wir wollen“, sagt Schade. Den Vorwurf der Schikane nennt er „Quatsch“. „Was bringt uns das: neue Arbeit und Ärger.“
Dass sich Schade vor seine Kollegen stellt, findet Bernd Seyfert löblich. Ein gutes Argument hat er aber auch: „Wir würden kaum vors Gericht ziehen, wenn wir jemanden hinters Licht führen wollen.“
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