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KulTOUR: Wasser, Land und Orgelsommer

Erstaunliche Frische: „Musik zum Ferienbeginn“ in der Caputher Stülerkirche

Stand:

Von Gerold Paul

Schwielowsee - Wenn die „Caputher Musiken“ in die Ferien gehen, dann beginnt in der dortigen Stüler-Kirche auch der „Orgelsommer“. Organisiert und getragen von der Evangelischen Kirchengemeinde, hat er sich in den Jahren seines Bestehens zu einem mittsommerlichen Höhepunkt der Region entwickelt, siebzig bis achtzig Besucher sind eigentlich die Norm an den Sonntag-Nachmittagen im Juli und August, bei freiem Eintritt, wohlgemerkt. Zeit, vielleicht weniger bekannten Komponisten zu begegnen, der sommerlichen Flimmerhitze zu entfliehen oder neue Handschriften gegenwärtiger Interpretationskunst zu entdecken. Oder alles zusammen. Das Angebot wird zudem stets thematisch geordnet. So wird sich Werner Scholl zum Beispiel am ersten August an Albert Schweitzers Spur heften.

Letzten Sonntag schien der Brückenschlag eher zufällig, „Wasser und Land – Musik zum Ferienbeginn“ involviert „Meeres-Anrainer“ wie Astor Piazolla und John Rutter ebenso wie Vater und Sohn Bach, des Wasserrinnens wegen. Mit der Flötistin Christiane Stier und dem Organisten Christian Finke konnte die Kirchengemeinde zwei gestandene und ausdrucksstarke Künstler aus Berlin verpflichten. Aber wie das bei Konzerten gelegentlich ist, oft fällt aller Anfang recht schwer.

Carl Philipp Emanuel Bachs Hamburger Sonate in G-Dur ließ traversflötenseitig Eleganz und Ausdruckswillen vermissen. Friedrich Grünkes Choralvorspielen „Ach bleib mit deiner Gnade“ oder „Sonne der Gerechtigkeit“ haftet ohnehin viel Erdenschwere an, sehr apart aber die Wahl der Orgelstimmen und ihre „demokratische“, gleichberechtigte Führung. Nino Rota (1911-1979) war sein Zeitgenosse, von ihm hörte man ein eine Instrumentalbearbeitung von „Salve Regina“,ursprünglich für Mezzosopran. Das hatte Größe und Tiefe, Schönheit und sehr viel Noblesse.

Was Gabriel Fauré (1845-1924) geträumt haben mag, weiß heute kein Mensch, sein „Après un reve“ (worauf sich das Stück ja bezieht) lässt auf dunkle, melancholische Bilder schließen, toll. Original ist op. 7.1. für Klavier und Gesangstimme geschrieben. An Franz Anton Hoffmeister, 18. Jahrhundert, konnte man mal wieder die reine Kraft der Tradition schöpfen. Er hat in seiner D-Dur Sonate op. 21.1. ein feierlich schönes Adagio zwischen zwei verschiedene Allegri gesetzt, da ist an Gefühlen alles dabei, klassisch eben! Astor Piazollas „Duo I“ als Dialog zwischen Orgel und Flöte bemüht einen volatilen Geist mit offenem Ausgang, danach gab es ein wunderschönes Zigeunerlied, genau auf dem Grat zwischen „russisch" und „Zigeuner“, etwas für ganz große Herzen.

Der englische „Wasser-Anrainer“ John Rutter, Jahrgang 1945, gab dem Caputher Orgelsommer zwei Parts aus seiner Suite Antique dazu, ein bisschen quälerisch die Aria, zunehmend beschwingt dann „Waltz“. Ein sehr schöner Auszug vom Ganzen! Bach-Vaters C-Dur Sonate BWV 1033 schloss dieses zunehmend frische und schöne Konzert ab. Ein ziemlich flinkes Andante mit etwas Koloratur, das gefällige Allegro mit richtig lockeren Läufen, ein Hauch Klage danach, um in drei Menuett-Parts zu enden.

Erstaunlich, wie viel Frische und vor allem Modernität diesem Bach „zugeschriebenen“ Werk abzugewinnen ist! Eine wunderbar Veranstaltung mit luftigem „Spirit“, sehr gutem Besuch und der Aussicht, dass es schon kommenden Sonntag weitergeht, mit dem Orgelsommer in Caputh. Merci.

18. Juli: Romantische Musik für Orgel und Violine aus Skandinavien, 17 Uhr, Stülerkirche in Caputh

Gerold Paul

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