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KulTOUR: „Weihnachtsträume“

Konzert mit Lesung in Nudower Dorfkirche

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Nuthetal - Wenn in Nudows Dorfkirche „Kultur“ offeriert wird, ist auch das Publikum da. So war es im Juni beim Sommerkonzert des Kammermusikensembles „Arpeggiato“, bei der inzwischen 5. „Bilderausstellung“ im August, und auch zum Weihnachtskonzert am letzten Wochenende war die Friderizianische Winzigkeit wieder sehr voll, mindestens siebzig Besucher kamen, um von den „Weihnachtsträumen“ desselben russisch-jüdischen Ensembles aus Potsdam zu hören – auch wenn es lausig frisch im Gotteshaus blieb. Angekündigt war dieses Ereignis ja in der überregionalen Kirchenzeitung.

Man hatte es freilich mit einem nicht ausdrücklich „christlich“ angelegten Programm der musikalisch-literarischen Art zu tun, darin Texte und Musik direkt alternierten, vielleicht war das auch eine ganz gute Melange in diesen weltlichen Zeiten. Wann eigentlich fängt Weihnachten an?, fragte der Textautor Rolf Krenzer. Nicht unbedingt, wenn die Glocken klingen und das Christkind große Geschenke verteilt, sondern wenn der Starke dem Schwachen aufhilft und der Habewas mit dem Habenichts teilt – ist das nicht Botschaft genug?

Dann kann auch Heinrich Heine an seinem Kamin romantisch meditieren, ein kleines Mädchen (Rudolf Rägni, „Brief an das Christkind“) erwägen, wie viele Geschenke es sich tatsächlich wünschen solle, und auch Bertolt Brecht („Die Gute Nacht“) darf dann darüber meditieren, ob die Geburt Jesu in Heimlichkeit war, wie er sich das dachte: Maria und Joseph hatten bei ihm einen Diener, der dem Paar einen Fisch brachte, na ja, so war er eben.

Sonst hörte man – Wolfgang Eisert rezitierte leise und gefühlvoll – auch Tannenbäume flüstern und klagen, und dass Knecht Ruprechts „Draußen vom Walde komme ich her“ von Theodor Storm geschrieben ward, gehört vielleicht auch wieder in das Gedächtnis.

Respekt vor dem Ensemble Arpeggiato, diesmal um Michael Shukow (Glasharmonika) ergänzt: trotz Raumeskühle spielten es auch diesmal mit der bekannten, erwärmenden Virtuosität, wie damals im Sommer. Johann Sebastian Bach/Charles Gounod’s „Ave Maria“ eröffnete den neunzigminütigen Nachmittag in eingedenkender Andacht, dann das achte Concerto grosso von Arcangelo Corelli, sehr filigran durchgestaltet – das gesamte Ensemble hat ja solistische Konservatoriums-Abschlüsse aus Kiew oder Moskau mit nach Deutschland gebracht.

Kein Zweifel, „Kapellmeister“ Alexandr Babenko, seine Frau Olga (1. und 2. Geige) sowie Mikhail Ganevskiy (Cello), Sviatoslav Shuk (Kontrabass) und Domenica Reetz (schönes Harfensolo von Lucas Ruiz de Ribayas) lieben die Musik aus dem Herzen, man hörte es, man spürte es.

Dabei war ihr musikalischer Anteil gar nicht so erwählt weihnachtlich. Manches wehte noch vom Sommerkonzert herüber. Das klagende Adagio von Tomaso Albinoni stand neben Franz Schuberts „Abendständchen“, Luigi Boccherinis Rondo neben Jules Massenets „Thais – Meditation“ und der winterlichen „Jahreszeit“ Antonio Vivaldis. Man bot eher musikalische Stimmungen, wozu auch Peter Tschaikowskis „Tanz der Feen“ aus der „Nussknacker-Suite“ und der alerte „Scherzwalzer“ von Dimitri Schostakowitsch gehörten – Weihnachten will ja ein fröhliches Fest sein.

Anders als in Wolfgang Amadeus Mozarts Rondo für Glasharmonika, wo zu laute, fast schmerzende Töne entstanden, hatte Michael Shukow hier sein Instrument viel besser im Griff. Wie immer auch, wenn man das Publikum zukünftig bittet, von Zwischenbeifall Abstand zu nehmen, werden auch die folgenden Konzerte ein Fest für den Flecken Nudow und sein Kronkirchlein sein – auch jenseits aller Weihnachtsträume.

Gerold Paul

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