KulTOUR: Weißt du, wie lieb ich dich habe?
In der Teltower Biomalz-Fabrik gab es am Kunstsonntag blühende Pflanzen und Schlachtfleisch zu sehen
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Teltow - Der inzwischen sechste Teltower Kunst-Sonntag in der alten Biomalz-Fabrik war bereits am Vormittag bestens besucht. Himmel, Autos und Menschen! Den kann keiner mehr ignorieren, oder als schrulliges Hobby der wenigen abtun! Wer mag all die Werke der inzwischen 144 Künstler in mehreren Häusern und auf vielen Etagen gezählt haben!
Der Veranstalter Dieter Leßnau und seine Mitstreiter vom Verein Initiative Teltower Kunst-Sonntag haben die Kunstschaffenden am gestrigen Sonntag aus nah und fern nach Teltow geholt. Auch der internationale Anspruch blieb somit erhalten. Eintritt hatte man diesmal zu geben – nicht viel, dennoch hätte das schon viel früher geschehen sollen. Und noch eine tolle Nachricht: Zum zweiten Mal beteiligte sich das Teltower Rathaus an diesem Projekt, mit genau 493,26 Euro. Da lacht das Herz, da fühlt man sich endlich verstanden! Das wollen die Künstler ja auch, gesehen und verstanden werden.
Im Vorwort zum diesjährigen Katalog, der sämtliche Aussteller mit Foto und Namen auflistet, verweist Leßnau ja ausdrücklich auf ein Zitat von Kulturminister Bernd Neumann. Dieser nicht gerade unbedeutende Mann hält Kultur nämlich nicht für einen Zuschussbetrieb, sondern für etwas, das „Werte und Arbeitsplätze“ schaffe. Na, wenn der das sagt!
Ein wenn auch ephemerer Wirtschaftsfaktor dürfte so ein Kunst-Sonntag inzwischen auch sein, immerhin lockte er im vergangenen Jahr um die zwei- bis dreitausend Besucher an! Wenn man darüber hinaus auch noch sieht, mit welchem Interesse die Besucher vor den Kolonnen von Bildern und Skulpturen verharren, wie man sich miteinander bekannt macht und austauscht, ist auch mal die unbezahlbare Seite dieses Ereignisses erfasst, vom erhofften PR-Effekt und kleinen Verkaufserfolgen ganz abgesehen.
Bilder über Bilder also. Alle Farben, alle Themen, alle Stile, alle Emotionen. Auch angesengte Fotos waren dabei: Burn-Art! Jeder sucht so, was er findet. Die einen zieht es zu Sanftmut und Schönheit, wie sie zum Beispiel die Warschauerin Barbara Kasza in extrem spätimpressionistischer Manier festhält. Andere scheinen die schönblühende Flora in Gänze umarmen zu wollen. Für Rani B. Knobel aus Bad Belzig ist gleich der ganze Ozean ein einziges Farbenmeer, sodass sie nachts von Schwarz-Weiss-Malerei träumt. Filigran und von spürbarer Ruhe sind die Tuschezeichnungen von Dinah-Florentine Schmidt aus dem Rheingau. Absurde Themen, antiker Klang, dazu etwas Witz – toll. Aber was sollen die Namen!
Im Kesselhaus waren diesmal zaunähnliche Stellwände eingebaut, auch fand man dort Skulpturen und mechanisches Bastelwerk, frech in den Raum hinein quietschend. Dort stand auch ein Ding namens Kopfkorrektur, schöner Titel. In der Alten Quellmühle hätte man selbst eine Halloween-Deko fast für ein Kunstwerk gehalten, man weiß ja nie, heutzutage! Was in diesem Jahr zu kurz kam, war die Grafik. Aber es wird ja hoffentlich eine Fortsetzung geben, nächstes Jahr, und hoffentlich wieder mit 493,26 Euro aus dem Säckl der Stadt.
Wer am Sonntag eher die Unruhe suchte, war nicht nur bei den Expressiven richtig. Die niedersächsische Malerin Ilona Krieg hat sich nämlich dem Tierschutz verschrieben. Tränen konnten einem kommen, wenn man die traurigen Augen des Äffchens hinter Gittern sieht. Auch das naturgetreu gemalte Schlachtfleisch mit der Aufschrift „Weißt du, wie lieb ich dich habe?“ war „nicht ganz ohne“. Engagement also statt Suche nach dem schönen Abbild – das stand dieser Präsentation besonders gut zu Gesicht. Denn Kraft muss sein, sonst wird die Kunst zu schnell mau. Gerold Paul
Gerold Paul
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