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Von Tobias Reichelt: Weiterarbeiten, wenn es brennt

Werders Freiwilliger Feuerwehr fehlen am Tage die Einsatzkräfte – viele Chefs lassen sie nicht gehen

Stand:

Werder (Havel) - Werders Feuerwehrchef schlägt Alarm. Lothar Boreck kann tagsüber auf immer weniger freiwillige Einsatzkräfte zugreifen. Der Grund: Die Kameraden sind auf Arbeit, viele Firmenchefs lehnen es ab, die Männer zum Einsatz zu lassen. Hinter vorgehaltener Hand werde mit der Kündigung gedroht, sagt Boreck. Die Mitgliedschaft bei der Feuerwehr sei einigen sogar zum Hindernis bei der Suche nach einem neuen Job geworden. Stadtwehrführer Boreck fordert von der Politik jetzt Verbesserungen für seine Kameraden und die Betriebe, die sie beschäftigen.

Am Freitagabend brachte Boreck seine Forderung an höchster Stelle an. Innenminister Rainer Speer (SPD) war in Werder zu Gast, um die Anfang März eröffnete Feuerwache zu besichtigen. Lothar Boreck nutzte die Chance: „Unsere Personaldecke reicht nicht aus“, erklärte der Stadtwehrführer. Erst kürzlich habe ihm ein Selbstständiger gesagt, dass er natürlich auch freiwillige Feuerwehrleute einstelle – sollte der Angestellte aber während der Arbeitszeit zum Einsatz gerufen werden, könne er sich einen neuen Arbeitsplatz suchen, erzählte Boreck.

Der Werderaner Unternehmer sei kein Einzelfall. Im Gegenteil: Nach längerem Nachdenken kann der Feuerwehrchef gerade einen privaten Betrieb in der Stadt nennen, der die Kameraden ohne wenn und aber gehen lasse. Von 31 Einsatzkräften in Werder kann Boreck tagsüber lediglich auf acht zugreifen – fast alle von ihnen sind bei der Stadt angestellt oder eben arbeitslos. „In den Ortsteilen sieht es nicht viel besser aus“, sagte Boreck. An Wochenenden kann der Wehrführer indes auf insgesamt 150 Kräfte zugreifen.

„Die Anreize für Betriebsleiter, einen Kameraden zu beschäftigen, müssen erhöht werden“, forderte Boreck vom Minister. Boreck schlug Steuererleichterungen für die Betriebe vor, die Kameraden beschäftigen. Der im Einsatzfall von der Stadt an das Unternehmen gezahlte Lohnausfall stehe oft nicht im Verhältnis zu den tatsächlichen Kosten, die anfallen, wenn der Arbeiter fehle. Auch den Kameraden selbst müsse man entgegenkommen: Für sie müsste es ebenfalls Steuervergünstigungen geben.

Zwar zähle die Feuerwehr in Werder seit 2007 zu einer von kreisweit insgesamt zehn Stützpunktfeuerwehren und erhalte damit mehr Geld für Technik und Ausstattung, reichen würde das aber auch nicht, mahnte Boreck: Alte Geräte versagten den Dienst und junge Leute wollten mit moderner Technik arbeiten. Es werde immer schwerer den Nachwuchs bei Laune zu halten.

Minister Speer kennt die Probleme nur zu gut, aber: Mehr Geld wird es wohl nicht geben. „Steuerermäßigungen stelle ich nicht in Aussicht“, sagte er. Das Land müsse sparen. Das Grundgerüst der Feuerwehren im Land bleibe das ehrenamtliche Engagement. „Mir ist nicht bange, dass die Situation unbeherrschbar wird“, entgegnete der Minister den Sorgen des Stadtwehrführers.

Eine Berufsfeuerwehr sei nicht zu bezahlen, sagte Speer. Man müsse mit dem arbeiten, was vorhanden sei. Zumindest eine gute Nachricht hatte Speer parat: Das Land wolle am Prinzip der Stützpunktfeuerwehren festhalten, wovon auch Werders Kameraden profitieren. Weiterhin sollen landesweit in jedem Jahr insgesamt fünf Millionen Euro an die ausgewählten Wehren gehen. Speer stellte sogar kleinere Verbesserungen in Aussicht. Auch über die Einführung einer Feuerwehrrente werde debattiert. Ob eine solche Rente tatsächlich die Motivation steigere, sich bei der Feuerwehr zu engagieren, sei allerdings fraglich.

Etwas überrascht von den vorgetragenen Sorgen und Nöten des Werderaner Stadtwehrführers zeigte sich Bürgermeister Werner Große (CDU). Man müsse auch die Situation der Handwerksbetriebe im Ort verstehen, sagte er. Auf der anderen Seite seien erst kürzlich 16 Jungfeuerwehrleute in die Wehren übernommen worden. Borecks Forderungen nach Steuererleichterungen seien illusorisch, sagte Große. „Wir können froh sein, wenn die Steuern nicht erhöht werden.“

Werders Stadtwehrführer hatte sich deutlichere Signale vom Besuch des Ministers erhofft. „Sparen sie, wo sie können“, gab er ihm am Ende auf dem Weg, „aber sparen sie nicht an der Sicherheit der Menschen.“

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