Potsdam-Mittelmark: Wenig Glück bei groß angelegter Wildschweinjagd auf dem Südwestkirchhof
Ein Dutzend Jäger wollte der Plage auf dem kulturhistorischen Areal ein Ende machen – doch kein einziger Schwarzkittel lief ihnen vor die Flinte
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Stahnsdorf - Wer einen Schwarzkittel überlisten möchte, muss früh aufstehen. Und er muss wissen, wo er ihn suchen soll. Der vergangene Samstag versprach eine erfolgreiche Jagd, denn der Ort des Geschehens, der Südwestkirchhof in Stahnsdorf, war in den vergangenen Wochen mehrfach von Wildschweinen verwüstet worden. Dort, wo sich im vergangenen Jahrhundert die Prominenz bestatten ließ, herrscht immer dann das Chaos, wenn eine Rotte Schwarzwild in das über 200 Hektar große Areal eingedrungen ist. Eine Folge falsch verstandener Tierliebe selbsternannter Tierschützer, die zuletzt zehn große Löcher in die Umzäunung geschnitten hatten, so dass die Wildschweine von dem Stahnsdorfer Friedhofsgelände Besitz ergreifen konnten.
Stahnsdorf gehört zum Pachtgelände von Jäger Hans Diwiszek, einem knorrigen, rüstigen 81-jährigen Waidmann aus Potsdam. Seine Aufgabe und die der 14 geladenen Jäger aus dem Brandenburger und Berliner Raum war es am vergangenen Samstag, möglichst viele Wildschweine zur Strecke zu bringen. Auf Friedhöfen darf wegen der Totenruhe nicht so einfach „herumgeballert“ werden. Deshalb musste Jagdpächter Diwiszek, beauftragt von Kirchhofsverwalter Olaf Ihlefeldt, eine Sondergenehmigung vom Ordnungsamt einholen.
Die Erwartungen der am Wirtschaftseingang des Friedhofs fröstelnd wartenden Jagdgemeinschaft waren groß. Nach Art und Umfang der angerichteten Schäden musste von mehreren Dutzend Tieren ausgegangen werden. Die allgemeinen Einweisungen vor Jagdbeginn sind nach deutschem Recht gründlich und umfangreich, weil Sicherheitsnormen für die beteiligten Personen sowie Bestimmungen des Natur- und Tierschutzes befolgt werden müssen. Da gibt es bei Hans Diwiczek kein Pardon.
Bereits seit Mitte August dürfen Bachen sowie deren Frischlinge, wie die im Frühjahr geborene Nachkommenschaft genannt wird, geschossen werden. Keiler dürfen zwar gejagt werden, da sie sich aber in der Rausche befinden – die Brunftzeit des Schwarzwildes – ist ihr Fleisch vor lauter Liebeshormonen ungenießbar und daher unverkäuflich. Auch Rehwild sowie jedes sich zum Zeitpunkt der Jagd auf dem Friedhof befindliche Tier war zum Abschuss freigegeben. Auch Katzen und Hunde.
Gewöhnlich wird eine Jagd angeblasen. In Stahnsdorf wurde wegen der Totenruhe darauf verzichtet. Hans Diwiczek und Jörg Fenske, der stellvertretende Jagdleiter, wiesen die Waidmänner in ihre jeweiligen Jagdpositionen ein, die so genannten Stände, die sich sowohl auf der Erde als auch auf Hochsitzen befinden können. Diese waren aus Sicherheitsgründen bis zum Ende der Jagd nicht zu verlassen. Thema Sicherheit: Früher mögen die Jagdhelfer, die Treiber, deren Aufgabe es ist, das Wild aufzuscheuchen, nach eigenem Gusto bekleidet durch den Wald gestiefelt sein, heute tragen sie alle reflektierende Westen.
24 Treiber, das verhieß viele flüchtende Tiere. Doch welche Enttäuschung. Nach zwei Stunden des mehrfachen Durchkämmens waren lediglich ein Mutterreh und ihr Kitz aufgeschreckt und vor den Läufen der Jagdbüchsen aufgetaucht. Beide Tiere wurden mit einem Blattschuss erlegt. Und wo blieben die Schwarzkittel? Schlau, wie sie nun mal sind, hatten sie offenbar geahnt, was ihnen blühen könnte und rechtzeitig das Weite gesucht.
Jäger sind der Tradition eng verhaftet. Dem blutigen Brauch des Ausnehmens der Tiere folgen das „Strecke legen“, das Aufreihen der Jagdbeute, sowie die Ehrung der Schützen, die den Bruch, einen Tannenzweig, als Symbol des Jagdglücks und als Ehrerbietung gegenüber dem Tier an den Hut gesteckt bekommen. Wurde schon auf das Anblasen der Jagd verzichtet, so galt dies nicht für das „Halali“. Es signalisiert nämlich das Ende der Jagd und den Übergang zum fröhlichen Beisammensein mit Erbsensuppe, Wurst und Glühwein.
Trotz magerer Jagdausbeute war Friedhofsverwalter Ihlefeldt zufrieden. Er weiß jetzt, dass das vermutete Schwarzwild offenbar seinen Standort gewechselt hat. Allerdings steht er nun unter Zeitdruck. Die Löcher im kilometerlangen Zaun müssen so schnell wie möglich gestopft werden. Louisa-Maria Giersberg
Louisa-Maria Giersberg
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