Potsdam-Mittelmark: Weniger Bürokratie – kahle Siedlungen
Das Land will Baumfällungen auf privaten Grundstücken erleichtern, Naturschutzverbände mahnen vor Frevel
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Das Land will Baumfällungen auf privaten Grundstücken erleichtern, Naturschutzverbände mahnen vor Frevel Von Peter Könnicke Potsdam-Mittelmark. Stahnsdorf nennt sich Gartenstadt. Auch Bergholz-Rehbrücke schmückt dieser Name. Kleinmachnow gilt gar als Waldsiedlung, genauso wie Wilhelmshorst oder – buchstäblich – Fichtenwalde. Nicht zuletzt der Reichtum an Bäumen macht den Reiz des Berliner Speckgürtels aus. Das Grün des Umlandes lockt tausende Städter in die Mittelmark. Neue Siedlungen wurden gebaut, die sich „Waldviertel“ oder „Wohnen am Wald“ nennen. Paradoxerweise haben in den vergangenen Jahren die Anträge, auf privaten Grundstücken Bäume zu fällen, zugenommen. Zum einen, weil die Bautätigkeit gerade in den bewaldeten Siedlungen sehr hoch ist, wie Günter Kehl, Chef der mittelmärkischen Naturschutzbehörde, weiß. Zum anderen wird der Baum nicht selten als „Störenfried“ auf dem eigenen Grundstück empfunden. Ob legal oder illegal, immer häufiger wird zur Axt gegriffen. 600 Fällanträge waren es in Kleinmachnow im Vorjahr, zitiert Sachgebietsleiter Thomas Brinkmann aus der Statistik. Vor allem zugezogene Städter würden zunehmend die hölzernen Gefährten zu Fall bringen wollen. Angst vor Stürmen, zu viel Arbeit, ungeliebte Platzhalter – die Erklärungen sind vielfältig. „Reichlich Raubbau“ „Versicherungstechnische Gründe“ sind ein gern beigefügtes Argument eines Fällantrages. Stichhaltig ist der Verweis nicht: „Ein gesunder Baum zerstört kein Haus“, beruhigt Marko Runge, Potsdamer Versicherungskaufmann bei der Victoria. Lediglich einen Baumunfall habe er 2003 bearbeiten müssen. Zwar gebe es eine Verkehrssicherungspflicht, wonach nachweislich kranke Bäume auf dem eigenen Grundstück zu fällen sind. „Doch nur in enger Abstimmung mit den Naturschutzbehörden“, ermahnt Runge seine Kunden. Doch wisse Runge, dass gerade mit dem Verweis auf Versicherungen „reichlich Raubbau“ betrieben werde. Dass der „Baumfrevel im Siedlungsbereich nun auch noch gesetzlich sanktioniert wird“, befürchtet Wolfgang Ewert, Potsdamer Chef des Naturschutzbundes Deutschland (NABU). Im Entwurf der neuen Brandenburger Baumschutzverordnung wird es „Eigentümern selbst genutzter Hausgärten“ erheblich erleichtert, auf ihrem Grundstück zu roden: Sie werden von der Verordnung befreit. „Mehr Eigenverantwortung“ will Umweltminister Wolfgang Birthler (SPD) den Bürgern einräumen und gleichzeitig „Bürokratie und Überregulierung abbauen“. Bislang musste jeder Antrag von den Umweltbehörden geprüft und genehmigt werden. „Das war auch gut so“, verteidigt NABU-Chef Ewert die bisherige Praxis. Auch die von Birthler erhoffte Entlastung der Naturschutzämter sieht Ewert nicht kommen. Vielmehr sei ein „erheblich höherer bürokratischer Aufwand die Folge bis hin zur Inanspruchnahme der Gerichte“ . Wo Birthler das Ziel nicht gefährdet sieht, den Baumbestand im privaten und öffentlichen Raum zu schützen, befürchtet der Kleinmachnower Bündnisgrüne Gerhard Casperson kahl geschlagene Siedlungen. „Unsere Dörfer werden viel von ihrem unverwechselbaren Charakter verlieren“, meint der mittelmärkische Naturschutzbeauftragte. Mitte Juni soll die neue Baumschutzverordnung des Landes in Kraft treten. In den zurückliegenden Wochen haben die Landkreise und anerkannten Naturschutzverbände Position bezogen, Anregungen und Kritik geäußert. Vor allem der unklar definierte Begriff der Hausgärten wurde moniert. „Die Beteiligung der Verbände ist nicht umsonst“, so Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade gestern gegenüber den PNN. Mit den Anregungen werde sich intensiv beschäftigt. So sollen die Regelungen für seltene Baumarten möglicherweise nochmals geschärft werden. Im Grundsatz soll die märkische Baumschutzordnung aber eine Novellierung erfahren, betonte Schade. „Es muss nicht überall ein Verbotsschild stehen.“
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