Potsdam-Mittelmark: Wenn Bäume Geschichte erzählen
Heimatforscher zeigten pflanzliche Erinnerungskultur von der Königin-Luise-Linde bis zur Hitler-Eiche
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Heimatforscher zeigten pflanzliche Erinnerungskultur von der Königin-Luise-Linde bis zur Hitler-Eiche Kleinmachnow – Die Königin-Luise- Linde hat Günther Käbelmann noch nicht entdeckt. Der Kleinmachnower Heimatforscher will aber weiter suchen und hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, doch noch fündig zu werden. Vielerorts sind im Jahr 1910 zum 100. Todestag der Königin Bäume gepflanzt worden als Dank dafür, dass sie sich 1807 in Tilsit beim damals siegreichen Napoleon intensiv für preußische Belange stark gemacht hatte. Die Vermutung, dass die damaligen Kleinmachnower Gutsherren dieser Pflanzaktion gefolgt sind, wird durch andere historische Bäume gestützt. Wie durch die Friedenseiche, die je nach Stimmungslage auch Sedanseiche, Siegeseiche oder Kaisereiche genannt wurde. Sie ist 1872 nach dem deutsch-französischen Krieg und der Reichsgründung zur Erinnerung an den Sieg bei Sedan gepflanzt worden und seither gut gediehen. Heute ist sie gewissermaßen ein „Eckpfleiler" an der großen Straßenkreuzung am Stahnsdorfer Hof und wird pausenlos von der nur wenige Meter entfernten Ampelanlage beleuchtet. Ihr Standort ist eigentlich Stahnsdorfer Territorium, sinnierte Günther Käbelmann, als er am Wochenende mit dem Kleinmachnower Heimatverein zu verschiedenen Bäumen wanderte, die aus „politischen Gründen" gepflanzt wurden. Wie die Adolf-Hitler-Eiche im Bäketal, direkt am Zehlendorfer Damm und nur etwa 40 Meter vom Stahnsdorfer Hof entfernt. Am Vormittag des 1. Mai 1933 wurde sie in die Erde gebracht – als Setzling aus den Hakeschen Baumschulen. Es war eine von der NSDAP angeordnete Aktion, die in allen eigenständigen Verwaltungseinheiten in Deutschland zu Ehren des „Führers und Reichskanzlers“ vollzogen werden musste und vielfach – wie in Potsdam – mit Aufmärschen und Kundgebungen für das am 30. Januar an die Regierung gekommene Nazi-Regime verbunden war. Häufig wurden im Wurzelwerk der Setzlinge Büchsen mit Schriftstücken eingegraben, auf denen sich hitlertreue Damen mit Namen verewigen wollten. „Nach einer solchen Büchse habe ich hier aber noch nicht gesucht", bekundete Käbelmann, der den Baum natürlich auch vermessen hat und von seinen Beschädigungen während der Kämpfe im Frühjahr 1945 weiß. Käbelmann ist auch Menschenschicksalen nachgegangen, die mit der Eiche verbunden sind. Wie das eines Landarbeiters, der am Pflanzen beteiligt war, später als Kriegsversehrter nach Hause kam und verbittert erklärte, er wolle von dem Baum nichts mehr sehen. Die lehrreiche Wanderung begann und endete vor der Dorfkirche. Direkt gegenüber von ihrem Eingang steht die Befreiungseiche, gepflanzt im Jahre 1913, zum 100. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig mit dem Sieg über Napoleon. Beteiligt daran waren vor allem die Kinder aus der benachbarten Dorfschule, in die damals auch die Stahnsdorfer Mädchen und Jungen zum Unterricht kamen. So war der Blick über die Baumgeschichte zugleich ein Diskurs über die nachbarschaftlichen Beziehungen der Ortschaften, die vieles gemein hatten, aber auf eigene Jubiläumsbäume bedacht waren. So hat Stahnsdorf nahe der Lindenstraße eine Sedaneiche, und als im ersten Weltkrieg gegenüber der Kleinmachnower Dorfkirche die Hindenburg-Eiche gepflanzt wurde, ist auch am Teltower Diako-Gelände ein solcher Baum in die Erde gekommen: Zu Ehren von Feldmarschall Paul von Hindenburg, der bei der Schlacht von Tannenberg in Ostpreußen die Russen besiegt hatte. Später wurde er Reichspräsident. Günter Käbelmann hat die geschichtsträchtigen Bäume umfassend dokumentiert und damit einen bedeutsamen Beitrag zur Ortsgeschichte geliefert, um deren Aufarbeitung der hiesige Heimatverein unter Leitung von Rudolf Mach sehr bemüht ist. Am 11. September wird Käbelmann wieder zu einem Vortrag im Vereinshaus an der Hohen Kiefer erwartet. Georg Jopke
Georg Jopke
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