KulTOUR: Wenn der Erpel mit der Ente ...
Frühlingshafter Vortrag über die Balz der Vögel beim Heimatverein Werder
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Werder - Es war eine wunderbare Idee vom Werderaner Heimatverein, anlässlich des unvermeidlich nahenden Frühlings einen Vortrag über die Balz der Vögel einzuplanen. Der am Ort lebende Biologe Detlev Rogge, promovierte Lehrkraft vieler Studenten an der einstigen PH, übernahm diesen Auftrag kürzlich sehr gern, wenn auch nicht ohne Vorbehalte. Er fürchtete, dem „hohen Erwartungsdruck“ des Auditoriums womöglich nicht gerecht zu werden.
Von wegen! Ordnungsgemäß mit Mundmikro ausgestattet, berichtete er in Wort und Bild vom Werben und Lieben des Haubentauchers und der Schellente, welche ihren Namen vom schnell-schwirrenden Flug (clangula) erhalten hat. Bevor er zwei leicht antike Lehrfilme über dieses Federvieh zeigte, gab es – theoria cum praxi – zuerst einmal Grundlegendes aus der Branche: Sah der alte Darwin in der Balz einen „einfachen Prozess mit Wettbewerbs-Charakter“, so der englische Biologe Huxley erstaunlicherweise genau das Gegenteil. Morris definierte sie dann 1956 als „heterosexuelles Kommunikationssystem der Fortpflanzung, das zur Endhaltung der Paarung führt“.
Ziel ist natürlich die Weitergabe der Art bis Ultimo, worüber sich gut nachdenken ließe. Sieht man die Enten nun balzen, so denkt sich der Laie nicht viel dabei, für Verhaltensbiologen ist das jedoch höchst kommunikativ, andererseits auch kompliziert. Morris folgend, werden ja grundsätzlich „Signal- und Gebrauchshandlungen“ unterschieden, wobei zu der letzteren neben Nahrungsaufnahme und Putzen auch die Kopulation in all ihren Spielarten gehört. Und derer gibt es ungeheuer viele.
Sind Haubentaucher und Haubentaucherin phänomenologisch auch nicht zu unterscheiden, so zeigt die Art ihrer Balz den Beginn einer langen Familienbeziehung. Zuerst schütteln sie gemeinsam die Köpfe, dann folgen Synchron-Schwimmen, seinerseits Pinguin-Pose, eine „Geisterphase“, bis sie bereit ist. Handelt er immer noch nicht, so macht sie ihm in einer anderen „rituellen“ Geste energisch klar: Nun tue doch endlich was! Er tut, und springt „danach“ mit Verve über ihren Kopf hinweg ins nasse Element. So geht’s bei den Tauchern.
Die „Beziehung“ einer Schell-Enterei läuft auf das Gleiche hinaus: Zeremonien der Annäherung, „agonistische“ Abwehr von Nebenbuhlern, Synchronisation mit der Liebsten, wobei Herr Erpel ganz schön eingebildet ist: Liegt sie schon paarungsbereit flach auf dem Wasser, so putzt er sich mit dem Lauf noch gemütlich den Flügel. Dann aber stürzt er sich auf sie, drückt sie zur Zeugung nach unten. Sie empfängt also submarin.
Anschließend packt er sie herb am Halsgefieder, lässt urplötzlich los, um wie ein Held davonzuschwimmen. Seine Familienpflichten enden mit dem Schlupf der Jungen, denn Aufzucht ist hier „Weibersache“. Schell-Entens Bruthöhlen befinden sich allerdings auf Bäumen: Mama muss die kleinen Federbüschel ganz schön locken, bis sie sich aus bis zu 15 Meter Höhe freiwillig in die Tiefe stürzen. Unverletzt. Dann watschelt die ganze Bagage der Reihe nach zum Wasser.
Angesichts solcher Streiche blieben im Inselhotel „anthropomorphe“ (auf den Menschen bezogene) Assoziationen nicht aus, das Auditorium schmunzelte herzlich. Fragen betrafen die jahreszeitliche Verspätung von Balz und Zeugung in diesem Lenz. Weil „das Licht“ die animalischen Hypophysen längst erregt hat, sei alles bereit, so der Redner. Kommt die Wärme hinzu, gehe es richtig los. Wer beim Vortrag dabei war, ist gescheiter.
Gerold Paul
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