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Fischer Mai und seine Frauen.

© Andreas Klaer

Von Peter Könnicke: Wenn die Akazie blüht, gehen die Fischer an Land

Heimatkunde-Lektion und Wissenstests für Bewerberinnen um den Thron der Baumblütenkönigin

Stand:

Werder (Havel) - Irgendwann an diesem Samstagnachmittag waren die Rollenklischees hergestellt. Die Männer hatten ihr Spielzeug herausgeholt: luftbetriebene Astscheren und -sägen, womit sie begeistert unteramdicke Äste durchtrennten. Unbeeindruckt von so viel männlichem Eifer nippten die Damen der Gesellschaft an diversen Obstweinen und philosophierten kichernd über Süffigkeit und Geschmack. „So ist die Arbeitsverteilung richtig“, konstatierte Katharina Lindicke.

Bloß gut, dass sie es lustig fand – immerhin gehört sie als Vertreterin des Werderaner Weinbauvereins zur Jury, die auch in diesem Jahr die neue Baumblütenkönigin bestimmt. Und die sieben Bewerberinnen waren es eben, die eher dem Obstwein zugetan waren, als aufmerksam zu verfolgen, wie die beiden Obstbauern Heiko Wels und Frank Wache Exemplare ihres Gerätearsenals präsentierten.

Aber so eine Kandidatenkür ist auch nicht ohne. Zum Programm gehört traditionell eine Besuchs- und Lerntour zu den Orten, die die Region wirtschaftlich geprägt und touristisch bekannt gemacht haben. „Weinbau, Obstbau und Fischerei“, dozierte Obstzüchter Wache. Nach der Visite bei den Weinbauern auf dem Wachtelberg und dem Frucht-Erlebnis-Garten in Petzow machten die sieben Thronanwärterinnen Station auf dem Glindower Obsthof Wels. Zehn Obstgehölze galt es hier zu bestimmen. Lackierte Fingernägel tasteten vorsichtig über Knospen, „die nachher Blätter werden“, wie Victoria Tremel fachkundig bemerkte. Es wurde geschnuppert und mit weiblichen Charme um Hilfe gebettelt. „Schwierig“, fand Alina Koplin die Prüfung, während Juror Wels beschwichtigte, dass das königliche Schicksal nicht ausschließlich von der Anzahl der richtig bestimmten Obstsorten abhängig ist. „Sie sollen ja keine Gärtnerinnen werden“, sagte er.

Schlagfertig indes müsse die künftige Hoheit sein, benannte er ein Kriterium. „Wir brauchen eine Baumblütenkönigin, die uns nicht bloßstellt, wenn sie beim Blütenfest in die Gärten kommt und von Berlinern gefragt wird, unter welchen Bäumen sie denn gerade sitzen.“ Bei Katharina Blum hätten die Obstbauer da wenig Sorge. Alle zehn Gehölze hat die 25-Jährige korrekt bestimmt. Im Familiengarten seien alle Obstsorten des Havellandes zu finden, verrät sie. „Da habe ich seit Mitte Januar jeden Tag geübt.“

Wäre profunde Heimatkenntnis entscheidend für die Thronbesetzung, hätte Fischer Wilhelm Mai gute Chancen. Andere Vorzüge einer Königin erfüllt der robuste Ur-Werderaner naturgemäß nicht. Seine heimatkundliche Lektion aber ließ die sieben Damen nicht unbeeindruckt. „Ich hab ja schon einiges gewusst“, meinte Karola Schulz, „aber hier habe ich noch viel Interessantes erfahren.“ Etwa von 27 Bergen im Schwielowsee, sodass man im Wasser stehen kann. Oder dass es einst 36 Fischer in Werder gab, die in ihre Netze 800 bis 1200 Knoten pro Stunde knüpfen konnten und die einst alle auch Obstzüchter waren. Denn früher hätten die Netze nur aus Naturfasern – Hanf, Baumwolle, Leinen, Sisal – bestanden, die im warmen Wasser nach ein bis zwei Tagen aufgeweicht waren, sodass Fischen nicht mehr möglich war. „Wenn die Akazie blühte und die Erdbeeren reif waren, gingen die Fischer an Land“, erzählte Mai.

Und während er Stullen mit Lachs und Aal reichte, fragte er listig, was die Damen wohl schätzten, wie alt ein Aal ist, wenn er auf den Tisch kommt. Zu seiner Überraschung wusste Darya Belova die Antwort: „Zwöf bis vierzehn Jahre.“

Nun ist die fünfköpfige Jury gefragt. Jedes Mitglied wird einen Namen aufschreiben, den Zettel in einen Umschlag stecken. Im Werderaner Rathaus wird unter strengster Geheimhaltung der am meisten notierte Name wiederum in einem Kuvert verschlossen, das Bürgermeister Werner Große erst auf dem Blütenball am 29. April – am Vorabend der Festeröffnung – öffnet.

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